Barbara Fickert mag Zitronenkuchen, doch noch viel mehr liebt sie Kinofilme. Bei einer Tasse Kaffee erzählt sie mir, warum sie nach Leipzig gekommen ist: „Mein Anliegen ist es Spenden zu sammeln, mit deren Hilfe ausländische Filme mit Audiodeskription und Untertiteln ausgestattet werden können. Deshalb gründete ich die gemeinnützige GmbH. Die Einladung der AG Kino – Gilde e.V. zur diesjährigen Filmkunstmesse in Leipzig habe ich gern angenommen, denn hier treffe ich genau die Akteure, die ich ansprechen möchte ─ Filmverleiher und Kinobetreiber.“ Die Filmkunstmesse bietet jedes Jahr europaweit ein einzigartiges Forum, wo Kinobetreiber und Verleiher Filme präsentieren, sich darüber austauschen und zu aktuellen Fragen des Filmkunstmarktes in Seminaren und Workshops diskutieren.
Mehr ausländische Filme mit Audiodeskription
Ihr Ziel ist es, immer mehr Hörfilmbeschreibungen auf den Markt zu bekommen, so dass mehr blinde Menschen ins Kino gehen können. Zwar verlangt das Filmförderungsgesetz für deutsche Filmproduktionen eine Hörfilmbeschreibung ─ nur dann werden sie gefördert. Ausländische Filme aber kommen größtenteils ohne Audiodeskription ins Kino. Eigentlich wäre der Filmverleih, der den ausländischen Film einkauft und in die deutschen Kinos bringt, für die Erstellung und Finanzierung der Audiodeskription zuständig. „Aber viele unabhängige Filmverleiher, die oft hochinteressante, auf Filmfestivals mit Preisen ausgezeichnete Filme in meist kleinere Kinos bringen, können diese Kosten nicht stemmen, jedenfalls nicht für jeden ihrer Filme. Genau da sehe ich mein Betätigungsfeld“, meint Barbara Fickert. Sie stellt auf der Filmkunstmesse ihr gemeinnütziges Unternehmen und ihre Arbeit vor, knüpft Kontakte und möchte auch die Presse auf ihre Arbeit aufmerksam machen.
„Welcome to Norway“ als Hörfilm
Für die leidenschaftliche Kinogängerin ist die Filmkunstmesse in Leipzig natürlich auch eine ideale Gelegenheit, sich nach neuen Filmprojekten umzuschauen. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf ausländische Filmproduktionen, die erst im nächsten Jahr offiziell in den Kinos starten. So hat sie noch Zeit, finanzielle Unterstützung für die Audiodeskription ausgewählter Filme zu finden. Hörfilmbeschreibungen kosten je nach Filmlänge und Arbeitsaufwand um die 6000 Euro. Hinzu kommt ein Betrag von ca. 1200 Euro für die App Greta und Starks. Mit deren Hilfe können sich blinde Kinobesucher die barrierefreien Filme in jedem Kinosaal über Kopfhörer ins Ohr flüstern lassen.
„Besonders freue ich mich, dass auf der Filmkunstmesse der norwegische Film ‚Welcome to Norway‘ läuft“, äußert sich Barbara Fickert. „Ich habe Autor und Sprecher für die Audiodeskription gefunden. Die Hörfilmbeschreibung dieses Films finanzierte ich gemeinsam mit dem Filmverleih Neue Visionen.“ Der Film läuft ab 13. Oktober in den Kinos. Im Dezember wird auch die schwedische Weihnachtskomödie „Eine schöne Bescherung“ („A Holy Mess“) im Kino barrierefrei zu erleben sein ─ dank Barbara Fickerts Spendenaktion.
Wie alles anfing
„Meine Eltern waren schon immer kinobegeistert und sind mit meiner Schwester und mir ins Kino gegangen. Der dunkle Kinosaal, die helle große Leinwand und die Akustik zogen mich sofort in ihren Bann“, erklärt Barbara Fickert. „Im Kino konnte ich immer noch viel mehr erkennen als auf dem Bildschirm eines Fernsehers. Dazu kommt noch die besondere Atmosphäre!“ Allerdings, wenn etwas visuell, aber nicht hörbar auf der Leinwand geschah, hatte sie Probleme. Seit es die App gibt, kommt Barbara Fickert viel öfter in den Genuss von Kinofilmen. „Mein Lieblingskino in Berlin ist das Kant-Kino. Das ist klein, überschaubar, gemütlich und für mich sehr gut zu erreichen.“
„Ich genieße Filmmusik und Geräusche“
Egal ob Komödie, Krimi oder Romanze ─ die Leidenschaft für das Kino ist so groß, dass sie andere mit ihrer Begeisterung anstecken und über das immer größere Angebot an barrierefreien Filmen informieren möchte. „Im Juli 2014 habe ich für die ‚Gegenwart‘ über mein Kinoerlebnis ‚Monsieur Claude und seine Töchter‘ geschrieben und festgestellt, dass mir das Schreiben leichter fällt als gedacht und sogar Spaß macht“, sagt die Berlinerin und schmunzelt. Seit Januar 2015 rezensiert sie nun in ihrem sehr ansprechenden Blog www.blindgaengerin.com Hörfilme und beschreibt ihre Kinoerlebnisse. Eine Audiodeskription ist für sie gelungen, wenn genau abgewogen wurde, was für das Verständnis des Filmes wichtig ist und was nicht. „Überfrachtete Texte finde ich nicht gut. Ich hänge auch gern einmal meinen Bildern im Kopf nach und genieße die Filmmusik und Geräusche“, erklärt Barbara Fickert.
Spenden für einen neuen Kinohörfilm
In Leipzig hat sie viele ausländische Filme gesehen und sich entschieden, die Audiodeskription für den Schweizer Animationsfilm „Mein Leben als Zucchini“ in die Wege zu leiten und Spenden dafür zu sammeln. Er startet im Februar 2017 und erzählt von einem neunjährigen Jungen, der den Spitznamen Zucchini trägt und nach dem plötzlichen Tod seiner alkoholkranken Mutter in ein Kinderheim kommt. Dort versucht er, seinen Platz in der Welt, Freunde und eine neue Familie zu finden. „Es ist ein Film für die ganze Familie mit wunderbarer Musik der Schweizer Sängerin Sophie Hunger. Er hat das Publikum genauso verzaubert wie mich“, schwärmt Barbara Fickert.
Auf meine Frage, welchen Hörfilm Barbara Fickert besonders empfehlen kann, überlegt sie eine Weile: „Ich denke ‚Toni Erdmann‘, wobei mir die Entscheidung für einen Film immer sehr schwer fällt“, sagt sie und lässt sich das Stück Zitronenkuchen schmecken.
Weitere Informationen: www.kinoblindgaenger.com
Spendenkonto: Kinoblindgänger gGmbH,
IBAN: DE50 5180 0060 0123 4523 00
(Ihre Spende kann steuerlich geltend gemacht werden.)