Immer mehr Museen greifen den Gedanken der Inklusion auf und beginnen ihre Ausstellungsräume so zu gestalten, dass sie für jedermann zugänglich sind. So auch das Industriemuseum Chemnitz.
Es ist die Größe der Ausstellungsstücke, die jeden Besucher des Museums fasziniert. Eine Dampfmaschine von acht Metern Länge mit 23 Meter langen Sisalseilen, die die erzeugte Energie zu einem Generator weiterleiten, eine sechs Meter lange Spinnmaschine mit 152 Spindeln und eine 12 Meter lange sowie 5 Meter hohe Lokomotive aus dem Jahr 1910 gehören zu den Exponaten, die im Industriemuseum in Chemnitz ausgestellt sind. Auf circa 3500 qm lädt das Museum zu einem Streifzug durch 220 Jahre sächsischer Industriegeschichte ein. Diese imposante Größe im Kleinen darzustellen, damit blinde und sehbehinderte Besucher sich ein Bild von den Ausstellungsstücken machen können, war das Ziel des Reliefführers durch die Dauerausstellung des Industriemuseums. „Ich habe ähnliche Reliefführer in anderen Museen gesehen, die von der DZB produziert wurden. Da wir unser Museum ein Stück weit barrierefreier gestalten wollen, haben wir uns an die DZB gewandt“, sagt Sandra Dannemann, Museumspädagogin.
Von imposanten Maschinen und filigranen Spindeln im Relief
Im Auftrag des Industriemuseums fertigte die DZB einen Reliefführer an, der zehn Folienreliefs mit unterlegten Farbdrucken beinhaltet. Technikinteressierte Besucher erhalten mit dem Reliefbuch einen informativen Begleiter durch das Museum, der ergänzend zu ausgewählten wichtigen Exponaten im Relief auch über deren Aufbau, Größe und Funktionsweise in Brailleschrift und MAXI-Druck informiert. Beispielsweise sind im Relief zu tasten und betrachten oben erwähnte funktionsfähige Dampfmaschine von 1896 aus der Chemnitzer Maschinenfabrik Germania, ein DKW F1, eines der ersten deutschen Automobile mit Frontantrieb, eine Wagen-Spinnmaschine usw. Letzteres Motiv war von den zehn Reliefs wohl auch am schwierigsten umzusetzen. „Die meisten Exponate der Ausstellung haben sehr viele Details, die das taktile Bild überlasten würden. Deshalb haben wir die Vorlagen auf die wichtigsten Elemente reduziert, die der Blinde dann gut erkennen kann“, erklärt Relieftechnikerin Anke Nordmann. „Bei der Spinnmaschine war das sehr schwer. Wir mussten sehr viele filigrane Spindeln mit Spulen darstellen, um den Charakter der Maschine zu erhalten.“ Als Grundlage für die Realisierung der Reliefs dienten Fotos der Ausstellungsstücke. Sie waren wichtig beim Zeichnen der Illustrationen und für den Bau der Matrizen (Vorlage zum Tiefziehen der Reliefs).
Außer den Exponaten beinhaltet der taktile Museumsbegleiter zwei Orientierungspläne, einen Grundriss der Dauerausstellungshalle und der Schlosserwerkstatt. Aber auch von außen kann man sich ein Bild von dieser beeindruckenden „industriellen Kathedrale“ machen, in der sich früher Eisengießereien befanden. Gleich auf den ersten Seiten lädt das Begleitbuch ein, die markante Fassade des Gebäudes mit seinen großen Rundbögen zu ertasten.
Zum Anfassen zu groß, im Relief tastbar
„Der Museumsführer liegt nun an der Kasse aus und kann dort von Besuchern ausgeliehen werden“, sagt Sandra Dannemann. „Natürlich können auch Führungen für blinde und sehbehinderte Besucher gebucht werden. Dann wird der Reliefführer auch genutzt.“ Die Museumspädagogin empfiehlt, sich vom fachkundigen Personal Maschinen in Funktion zeigen zu lassen. Das ist ein besonderes akustisches Erlebnis und der Vorführer kann die Funktionsweise erklären. „Unbedingt sollten die Besucher auch unsere Schlosserwerkstatt aufsuchen. Sie zeigt den Technikstand von vor ca. 100 Jahren, wo Werkzeugmaschinen noch über Riemen und Wellen angetrieben wurden. Ebenso interessant sind die Textilmaschinen im Untergeschoss. In Betrieb genommen veranschaulichen sie die Entstehung einiger Textilprodukte von der Faser bis zur fertigen Ware“, erzählt die Museumspädagogin. Aber auch andere Maschinen und Fahrzeuge sind vor Ort tastbar, wie beispielsweise alte Schreibmaschinen und Wählscheibentelefone.
Wie hilfreich der Reliefführer beim Erschließen der Exponate ist, davon überzeugten sich vor Kurzem auch Schülerinnen und Schüler einer 8. und 9. Klasse der Landesblindenschule Chemnitz. Sie haben das taktile Begleitbuch getestet und es als sehr gut und detailliert befunden. Mithilfe der Reliefs konnten sie sich ein Bild von den Exponaten in der Vitrine machen und sich vorstellen, wie die Maschinen aussehen, die zum Tasten zu groß sind.
Führungen
Tel.: +49 371 3676 410
E-Mail: muspaed@saechsisches-industriemuseum.de
Internet: www.saechsisches-industriemuseum.de
Öffnungszeiten:
Di – Fr: 9 bis 17 Uhr
Sa, So, Feiertag: 10 bis 17 Uhr
Montag: geschlossen
Anfahrt: Das Museum ist erreichbar über A 4 (Abfahrt Chemnitz-Nord) über Leipziger Straße (B 95), A 72 (Abfahrt Chemnitz-Süd) über Neefestraße (B 173) Richtung Zentrum/Zwickauer Straße.
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