Gegenwärtig sprießen Blogs sprichwörtlich wie Pilze aus den unendlichen Tiefen des Internets. Früher schrieb man seine Gedanken in ein geheimes Tagebuch. Heute nutzt man dafür einen Blog. Der oder das Blog ist die Kurzform für Weblog, Web und to log (etwas aufzeichnen). Das Faszinierende an einem Internettagebuch ist, dass jeder den Text von überall auf der Welt lesen kann. Blogger sind so etwas wie Geschichtenerzähler und regen mit ihren Beiträgen zum Gedankenaustausch an. Sie schreiben zu unterschiedlichen Themen, wie Mode, Lifestyle, Technik, Büchern usw.
Der Blog soll Brücken bauen …
David Röthle (Jahrgang 1969) ist so ein Blogger. Er selbst ist blind und schreibt seit Dezember 2015. Mit seinem Blog „Blindgeflüster“ will er Brücken zwischen Sehenden und Blinden bauen. Er lädt Sehende ein, die Welt der Blinden zu entdecken und sensibilisiert für das Thema. „Auslöser für meinen Blog waren die vielen Fragen, die mir Sehende immer wieder stellten. Wie bewältigen Blinde ihren Alltag? Das interessiert viele Sehende“, erzählt David Röthle. „Auf die Frage, wo man denn darüber mehr erfahren kann, fielen mir nur die Blindenverbände ein. Da kam mir der Gedanke, selbst eine solche Informationsquelle zu sein. Ich wollte gern Vorurteile abbauen und Hemmungen im Umgang miteinander überwinden. Der Blog war die ideale Möglichkeit dafür.“
Ein passender Name war schnell gefunden. „Da ich bei meinen Texten in gewisser Weise aus dem Nähkästchen plaudere und man dies eher leise macht, also flüsternd, fiel mir der passende Titel ‚Blindgeflüster‘ ein“. Die technische Seite des Blogs erwies sich als größere Hürde, also Blogplattform und Hosting-Anbieter finden, Blog konfigurieren usw. Mit der Hilfe einer Webdesignerin, die sich um alles Technische und die Gestaltung des Blogs kümmert, waren die Grundlagen für eine ansprechende Seite geschaffen.
… und Geschichten erzählen
David Röthle erblindete 1997 infolge eines Unfalls. Während der Reha-Maßnahmen entdeckte er, dass er gern schreibt. Seine Gedanken aufs Papier zu bringen, sich mitzuteilen und Geschichten zu erzählen, das half ihm auch seine Blindheit zu akzeptieren.
In der Rubrik „Erste Schritte im Dunkeln“ erzählt David Röthle, wie schwer es ihm gefallen war, die Brailleschrift zu erlernen, warum die Brailleschrift so wichtig ist und mit einem Augenzwinkern auch, welche Vorteile das Erlernen der Brailleschrift für ihn hat: „So ganz nebenbei wurde meine Merkfähigkeit erhöht, schließlich ist das Aufnehmen von Informationen über mehrere Sinne eine ideale Möglichkeit, das Gedächtnis zu trainieren. Auch für Notizen, die kein anderer lesen soll ist die Blindenschrift sehr praktisch. Davon mal abgesehen: Meine Frau profitiert auch von meiner erhöhten Sensibilität, zumindest hat sie sich bei mir noch nicht wegen mangelnden Fingerspitzengefühls beklagt!“
In „Mit dem Blindenstock auf Tour“ antwortet er auf die oft gestellte Frage sehender Menschen: Wie ist das eigentlich lediglich mit einem Blindenstock in der Hand aus dem Haus zu gehen, beziehungsweise sich zu orientieren? Offen spricht er über seine Hemmungen, sich als Behinderter zu „outen“ und von den vielen unterschiedlichen Trainingsstunden mit dem Mobilitätstrainer.
Hinter der Kulisse eines Blinden
David Röthles Beiträge sind sehr authentisch und geben dem Leser Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt. So zum Beispiel, wenn er darüber nachdenkt, dass es nicht unbedingt hilfreich ist, sich als Blinder immer wieder der vielen Gefahren bewusst zu werden. Sein Motto: „Augen zu und durch. Oder anders gesagt, ohne ein gesundes Urvertrauen geht es eben nicht!“
Die Leser des Blogs erfahren, dass Schnee im Winter ziemlich hinderlich für das Laufen mit dem Blindenstock ist, wie er Silvester erlebt und was er vom Alkohol hält, welche verschiedenen Möglichkeiten es gibt, als Blinder Bücher zu lesen. David Röthle erzählt auch von seiner anfänglichen Skepsis vor Smartphones, von seinen ersten Gehversuchen mit dem neuen Gerät und wie er dank Smartphone und den vielen Apps seinen Alltag viel leichter gestalten kann: „Heute hat mein ständiger Begleiter schon fast Hilfsmittelcharakter angenommen. Inzwischen habe ich diverse Apps installiert, mit denen ich Situationen meistern kann, für die ich ansonsten mehrere eigenständige Geräte benötigen würde.“
Für seine Beiträge braucht David Röthle schon mal drei bis vier Stunden. Das hängt aber auch vom Thema und der Länge der Texte ab. Das Interessante am Bloggen ist für ihn, dass die Texte schnell veröffentlicht sind und dass der Blogger in direkten Kontakt zu den Lesern treten kann. Allen, die auch einen Blog schreiben möchten, rät David Röthle: Sie sollten auf jeden Fall Freude am Schreiben haben und ein gutes Sprachgefühl mitbringen, ideenreich und kreativ sein. „Doch das Wichtigste ist ein Thema, in dem man sich auskennt und für das man sich begeistert.“ David Röthle hat sein Thema gefunden.
Wer David Röthle auf seinem Blog besuchen möchte: http://blindgefluester.de
Drei Fragen an David Röthle
Was ist für Sie beim Schreiben schwerer: das Anfangen oder das Beenden?
Beides hat seine Tücken. Doch meistens fällt mir der Anfang schwerer, denn von diesem hängt sehr viel ab. Schließlich gilt es hierbei die Neugier des Lesers zu wecken und zum Weiterlesen zu animieren.
Welche Bücher lesen Sie am liebsten?
Ich lese eigentlich querbeet. Mein Schwerpunkt liegt auf Thriller, Fantasy und Biographisches.
Welches Buch hat Sie am meisten beeindruckt?
Da gibt es viele, eines davon wäre „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien oder die Trilogie „Tintenherz“ von Cornelia Funke. Ganz aktuell: der Science-Fiction-Roman von Ernest Cline „Ready Player One“.