Digitale Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung, um allen Menschen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Dies umfasst die barrierefreie Gestaltung von Internetseiten, mobilen Anwendungen (Apps) sowie digitalen Dokumenten. In Deutschland wurden mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und dem Behindertengleichstellungsgesetz grundlegende Rahmenbedingungen für digitale Barrierefreiheit geschaffen.
Den Berichten der Überwachungsstellen des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik zufolge zeigt sich jedoch, dass die praktische Umsetzung der Normen in Bezug auf Webauftritte, Apps und Dokumente häufig unzureichend ist.
Für das Land Sachsen ist das dzb lesen als Überwachungsstelle beauftragt. Wir sprachen mit Sabine Krüger, Leiterin der Überwachungsstelle Sachsen im dzb lesen.
1. Wie erfolgt die systematische Überprüfung der digitalen Barrierefreiheit bei öffentlichen Websites und Apps?
Jährlich wird eine feste Anzahl von Webseiten und Apps öffentlicher Stellen per Stichprobe überprüft. Nach einer Prüfankündigung können die Stellen innerhalb einer Frist Einwände einreichen. Die Prüfung erfolgt entweder eingehend nach allen Kriterien der EN 301 549 oder vereinfacht nach ausgewählten Kriterien, die sicherstellen, dass Nutzende mit unterschiedlichen Bedürfnissen berücksichtigt werden. Geprüft werden dabei nur ausgewählte Seiten des Webangebots wie bspw. Startseite, Kontakt oder Suche. Die Ergebnisse erhalten die öffentlichen Stellen in einem Prüfbericht, der – soweit möglich – auch Hinweise zur Behebung der Mängel enthält.
2. Wie bewerten Sie die aktuelle Umsetzungsquote der digitalen Barrierefreiheit in öffentlichen Institutionen in Deutschland?
Insgesamt zeigt sich sowohl quantitativ als auch qualitativ: Die Entwicklung hin zu vollständiger digitaler Barrierefreiheit zeigt bisher nur geringe Fortschritte. Unsere Erfahrungen aus Überwachung und Beratung machen deutlich, dass Webseiten und Apps oft lange Entwicklungsprozesse haben. Größere technische Anpassungen werden meist erst mit umfangreichen Updates oder Relaunches umgesetzt. Durch notwendige Ausschreibungen und lange Projektlaufzeiten ziehen sich solche Veränderungen entsprechend in die Länge. Die Ergebnisse der Wiederholungsprüfungen bestätigen dieses Bild: Vor allem technisch anspruchsvolle Barrieren bleiben häufig weiterhin bestehen. Gleichzeitig beobachten wir in Sachsen, dass kleinere Barrieren deutlich häufiger behoben werden, insbesondere dann, wenn in den Institutionen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit digitaler Barrierefreiheit vorhanden ist.
3. Welche spezifischen Mechanismen und Sanktionsmöglichkeiten hat Ihre Überwachungsstelle, um Institutionen zur vollständigen Barrierefreiheit ihrer digitalen Anwendungen zu verpflichten?
Öffentliche Stellen sollten damit rechnen, dass die Überwachungsstelle ihre Angebote in regelmäßigen Abständen erneut überprüft. Zudem fließen die Ergebnisse dieser Überwachungsprüfungen alle drei Jahre in den Landes- sowie den EU-Bericht ein. Wenn Personen auf Barrieren stoßen und keine zufriedenstellende Rückmeldung oder Hilfestellung von der jeweiligen öffentlichen Stelle erhalten, können sie kostenlos und ohne Rechtsbeistand bei der zuständigen Durchsetzungsstelle einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen. Theoretisch sind auch Klagen von Betroffenen oder Verbänden denkbar.

