Arite Stosch-Ball kennt es noch – dieses laute hämmernde Geräusch, das die elektrische Handpunziermaschine bei jedem Anschlag der sechs Tasten erzeugte. Als sie 1996 ihre Tätigkeit als Übertragerin begann, bohrte sich das schnelle Rattern auch in ihre Ohren. Sie selbst schrieb an der Handpunziermaschine ihr erstes Buch in Brailleschrift. Es hieß „Sagen des klassischen Altertums“ von Gustav Schwab. „Der Text wurde auf eine Zinkblechplatte eingegeben. Das war schwere Arbeit, die viel Kraft abverlangte“, erzählt Arite Stosch-Ball. „Auch durfte man keine Fehler machen. Diese mussten dann wieder aus der Platte herausgeklopft werden.“
Heute ist die Handpunziermaschine verstummt – für immer. Arite Stosch-Ball sitzt an ihrem Computer und überträgt mit Hilfe der Software HBS (Hagener Braille-Software-System) Bücher in Brailleschrift. Die Arbeit geht jetzt viel leichter von der Hand. In ihre Textdatei gibt die Übertragerin Steuerbefehle ein, die das Layout des Buches festlegen, beispielsweise, wo es Einrückungen im Text oder freie Zeilen geben soll, wie die Überschriften aussehen sollen. Die Software wandelt den Text in Brailleschrift um. Danach erfolgt die Seiten- und Bandeinteilung. Dieser digitale Text kann direkt auf Papier ausgedruckt werden oder wird auf eine Zinkblechplatte punziert. Die Prägung der Brailleschrift auf die Platte übernimmt eine Maschine.
Dicke Bücher mit viel Struktur
Die gelernte Wirtschaftskauffrau hat die Brailleschrift an der Pichtmaschine gelernt. „Ich habe immer eine Seite geschrieben und diese dann korrigieren lassen“, sagt Arite Stosch-Ball. „So hat die Übertragung eines Buches anfangs recht lange gedauert. Heute ist mir das Brailleschriftschreiben in Fleisch und Blut übergegangen. Ich kann sogar Schwarzdrucktexte mit sechs Fingern schneller schreiben als mit zehn Fingern.“
Am liebsten überträgt sie dicke Bücher mit viel Struktur, also meist Sachbücher, wie beispielsweise Kochbücher. „Da habe ich richtig viel zu tun. Im Gegensatz zu Romanen, wo es eine einfache Struktur und viel Fließtext gibt, beinhalten Sachbücher viele Kapitel und Abschnitte, aber auch Tabellen, die man auflösen muss. Da kann ich mich so richtig reinknien“, erklärt die Übertragerin. So ein Sachbuch überträgt sie gerade. „Amerikanisch Kochen“ von Lisa Shoemaker heißt es und beinhaltet viele Rezepte. Ein ähnliches Buch wartet schon auf die Übertragung: „Das Harry Potter-Kochbuch“. In den sieben Harry Potter-Bänden wurde viel gekocht und gebacken, wie beispielsweise Zimtbrötchen und Marmeladentörtchen. Aber auch das Jugendbuch „Last Exit. Das Spiel fängt gerade erst an“ von Mirjam Mous und das Kinderbuch „Wunder – Julian, Christopher und Charlotte erzählen“ von Raquel J. Palacio liegen auf ihrem Bücherstapel.
Makros erleichtern die Arbeit
Normalerweise arbeitet Arite Stosch-Ball durchgängig an einem Buch. Doch muss sie auch Aufträge und Zeitschriften einschieben, weil diese feste Termine haben. Vor kurzem hat sie die kompletten Bücher für die Zeitschrift „Literaturtreff 2019“ in Brailleschrift übertragen. Daraus sind 52 Hefte entstanden, die Woche für Woche an literaturinteressierte Abonnenten verschickt werden.
Kleine Computerprogramme, auch Makros genannt, erleichtern das Übertragen in Brailleschrift. Das Makro „Wieviel?“ zum Beispiel gibt automatisch die Gesamtseitenanzahl eines Buches aus, so dass der Text in Bände eingeteilt werden kann. Oder ein Korrekturmakro zeigt englische Wörter, wie zum Beispiel high oder light, vor dem Umwandeln an, bei denen die Silbe „ig“ nicht gekürzt wird und die deshalb mit einem Kürzungsverbot versehen werden. Apropos Korrektur: Die häufigsten Übertragungsfehler, weiß Arite Stosch-Ball zu berichten, sind falsche Kürzungen, Trenn- und Scannfehler. „Es kommt auch vor, dass die Übertragerin die Struktur einer Tabelle noch einmal anders auflösen muss, damit sie den Lesern verständlich erscheint“, meint Arite Stosch-Ball.
Hin und wieder gefällt ihr ein Buch, das sie überträgt, so gut, dass sie ein Exemplar in der Buchhandlung kauft. Allen Leser*innen von „in puncto dzb lesen“ empfiehlt Arite Stosch-Ball – wie kann es anders sein – ein Kochbuch: „Meine Lieblingsrezepte“ von Cornelia Poletto. Wenn sie keine Bücher in Brailleschrift überträgt, probiert sie auch gern einmal ein Rezept aus diesem Buch aus. Na dann, gutes Gelingen – sowohl beim Kochen als auch beim Übertragen!