Interview: Inklusion in Bibliotheken

Am 24. Oktober findet zum 30. Mal der „Tag der Bibliotheken“ statt. Als Leiterin der Abteilung Bibliothek, Beratung und Verkauf im Deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen und als Herausgeberin des Praxishandbuchs „Inklusion in Bibliotheken“ ist Christiane Felsmann Expertin auf dem Gebiet der Barrierefreiheit in Bibliotheken. Magdalena Groh führte mit ihr folgendes Interview.Ein Foto (Bücherregale) darunter links ein Logo (aufgeschlagenes Buch), rechts: 24. Okt. 2025, Tag der Bibliotheken

Inwiefern verstehen Sie Bibliotheken als Ort der Begegnung, Bildung und Teilhabe?

Bibliotheken sind öffentliche und für alle Menschen offene Orte, sie bieten Zugang zu Wissen und Bildung. Bibliotheken sind demokratische Orte, die aufgrund ihrer Expertise in Sachen Medien- und Informationskompetenz den Zugang zu Informationen und Medien stärken und fördern.
Um ein lebendiger Ort in der Gesellschaft zu sein, ist es eine bedeutende Aufgabe Begegnungen zu schaffen. Das können kurze Augenblicke Einzelner am Bücherregal oder auch längere Begegnungen vieler Menschen zu Lesungen oder Diskussionsveranstaltungen sein. In Bibliotheken kann ich ins Miteinander kommen – beim Lesen wie auch beim aktiven Gestalten. Bibliotheken sind für alle Menschen da. Daher ist es wichtig, Teilhabe zu gestalten. Menschen mit und ohne Behinderungen und auch Menschen mit ihren individuellen Lesebedürfnissen sollen sich hier wiederfinden und sich eingeladen fühlen. Dafür braucht es Barrierefreiheit.

Schließlich sei angemerkt: Begegnung, Bildung und Teilhabe sind wichtige Säulen einer funktionierenden Demokratie.

Sie sind Vorsitzende der dbv-Kommission Kundenorientierte und inklusive Services. Welche Zielsetzung verfolgt die Kommission konkret?

Die bisherigen Arbeiten der Kommission haben sich vor allem mit dem Themenfeld Inklusion und Barrierefreiheit befasst. So gab es eine Umfrage in rund 1.000 Bibliotheken, um erstmals einen IST-Stand zum Grad der Barrierefreiheit zu erhalten. Die Zahlen sind durchaus ernüchternd; es ist noch viel Luft nach oben.

Daher sind wir dabei, bibliothekspolitische Anforderungen zu definieren und in Handlungsfelder und konkrete Aktionen zu bringen. Hierzu suchen wir die Zusammenarbeit mit anderen Kommissionen und Partnern.

Unser Ziel ist, Inklusion und Teilhabe in die Bibliothekspraxis zu bringen. Sie sind Kernpunkte einer starken Kundenorientierung. Daher nutzen wir Alltagsthemen und erarbeiten, wie diese inklusiv umgesetzt werden können. Aktuell widmen wir uns dem Feld der „Willkommenskultur“. Das ist vielfältig und spannend.

Auf welche Weise berät die Kommission die Mitglieder und Organe des dbv und können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen?

Als eine der über zehn Kommissionen im dbv fokussieren wir uns auf klare Aufgaben – so, wie die Umsetzung der Umfrage. Die Ergebnisse und unsere Erkenntnisse haben wir mit der Geschäftsführung des dbv teilen und erörtern können. Die Umfrage und nicht zuletzt das Erscheinen des Praxishandbuches „Inklusion in Bibliotheken“ haben dazu geführt, dass Teilhabe und Barrierefreiheit nun fester Bestandteil der Verbandsarbeit sind.
Ich habe mich riesig gefreut, dass zum 3. Bibliothekspolitischen Kongress Anfang Oktober ein eigenes Panel „Inklusion in Bibliotheken“ organisiert wurde.

Gern sind wir zudem bei allen Fragen rund um die Umsetzung von Barrierefreiheit behilflich.

Neben der Kommission sind Sie auch in der Arbeitsgruppe „Inklusion in (digitalen) Bibliotheken“ engagiert. Welche Ziele verfolgt die Arbeitsgruppe?

Die AG, 2018 gemeinsam mit Anne Sieberns vom Deutschen Institut für Menschenrecht als AG „Barrierefreiheit in (digitalen) Bibliotheken“ gegründet, ist eine Interessengruppe. Sie ist manchmal auch einfach ein Mailverteiler. Für mich ist sie vor allem die Wiege unserer gleichnamigen Online-Reihe, die monatlich Themen der Bibliothekswelt in Bezug auf Inklusion und Barrierefreiheit aufgreift. Im Fokus unserer Arbeit stehen vor allem das Sensibilisieren und die Wissensvermittlung, sodass wir alsbald eine inklusive Bibliothekswelt haben!

Wir befinden uns gerade in einer Zeit des Wandels. Sowohl politisch, als auch digital verändert sich gerade viel. Wie sollen sich Bibliotheken künftig weiterentwickeln und welche Botschaft möchten Sie heute besonders hervorheben?

Die Welt dreht sich gefühlt schneller und es passiert jeden Tag ganz viel. Das ist auch in der Welt der Bibliotheken spürbar. Neben analog gibt es digital, neben self-service gibt es die Infotheken. Wir entwickeln uns alle bereits stetig weiter, wir suchen z. B. Antworten auf den Umgang mit KI in Bibliotheken und nutzen KI längst für Kataloge und Auskünfte. Das ist ganz wunderbar zu beobachten.
Hervorheben möchte ich, dass es neben den spannenden technischen Entwicklungen noch nie so viele Menschen mit individuellen Lesebedürfnissen gab. Lesegewohnheiten und Textverständnis variieren stark. Nicht nur der Bedarf an barrierefreien Formaten wie Großdruck, EPUB oder Braille sollte gesehen werden. Die Vielfalt der persönlichen Zugänge, z. B. für Menschen mit Depression, Legasthenie, ADHS oder anderen sogenannten Lesebehinderungen, ist groß.

Daher wünsche ich mir, dass immer auch der Mensch in der Bibliothek gesehen wird. Das braucht Raum, Zeit und Personal – also die knappen Ressourcen unserer Gesellschaft. Mit einem klaren Bekenntnis für Inklusion als Wert und Teil der Arbeit werden Bibliotheken erst richtig gut und sind starke Säulen der Demokratie.

Vielen Dank, Frau Felsmann!

Hinweis

Am 28.10. 2015, um 11 Uhr lädt die Kommission „Kundenorientierte und inklusive Services im Deutschen Bibliotheksverband e. V.“ Interessierte zur Online-Veranstaltung Barrierefreie Medien – ein Baustein inklusiver Bibliotheksarbeit an. Gezeigt wird, wie Barrierefreiheit in Öffentlichen Bibliotheken praktisch umgesetzt werden kann.

Die Teilnahme ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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