Blinde und sehbehinderte Kinder können jetzt auch den „Grüffelo“ lesen und die Geschichte von der kleinen Maus und dem schrecklichen Ungetüm erfahren. Die DZB hat ein taktiles Bilderbuch produziert. Die Bilder entstanden aus verschiedenen Materialien in handwerklicher Kleinarbeit.
Es gibt Kinderbücher, die ziehen selbst Erwachsene so in ihren Bann, dass diese gar nicht anders können, als in die Welt der Kinder abzutauchen. So ein Buch ist der „Grüffelo“. In ihm geht es um eine kleine Maus, die sich mithilfe ihrer Fantasie und den Geschichten, die sie sich ausdenkt, vor ihren Feinden schützt. In Großbritannien, wo die Autorin Julia Donaldson lebt, hat das Buch schon den Status eines modernen Kinderbuchklassikers.
Die Idee vom taktilen „Grüffelo“
Die aktuelle Popularität des „Grüffelo“ war für Corinna Grabatin und Leonie Ruf, Sonderpädagoginnen, ein sehr wichtiges Kriterium, gerade dieses Buch als Vorlage für ein neues taktiles Bilderbuch auszusuchen. Dessen Gestaltung mit verschiedenen Materialien erfolgte nach sonderpädagogischen Regeln der Frühförderung blinder Kinder. Für das Tastbilderbuch entwarfen sie die Gestaltungsvorlage und reduzierten die Bildinhalte auf die wesentlichsten Elemente.
„Wichtig für unseren ‚Grüffelo‘ war sowohl eine ansprechende taktile Umsetzung für blinde Kinder als auch eine attraktive visuelle für sehende und sehbehinderte Kinder“, erläutert Corinna Grabatin. Es wurden reale Gegenstände in das Buch integriert, deutlich unterscheidbare taktile Materialien verwendet, die mit einem positiven Tasteindruck einhergehen und typische Merkmale der Tiere definieren. Beispielsweise findet man echte Nüsse, das Imitat eines buschigen Fuchsschwanzes und leuchtende Augen des Grüffelo. Eindeutige Umrisse und kontrastreiche Farben erleichtern die Erkennbarkeit der Figuren. Um auch wirklich sicher zu sein, dass die taktilen Bilder für blinde Kinder wahrnehmbar sind, gaben die Pädagogen diesen die Vorlage zum Testen.
Aus Zahnstochern, Fimoknete und Velours
Schritt für Schritt entstand so ein tastbarer Grüffelo, der ähnlich der Illustrationen von Axel Scheffler, ein Ungetüm zwischen Grizzlybär und Warzenschwein ist: etwas tumb und schwerfällig, trotzdem aber liebenswert. Zunächst wählte man die passenden Materialien für die taktilen Bilder aus: Schleifpapier für die knotigen Knie, braunes Velourslederimitat für den Körper, Fimoknete für die Hörner, Zahnstocher für die Krallen und ein Perlenpen für die Warze. Die Herstellung der Figuren erfolgte in aufwendiger Handarbeit. „Besonders schwierig zu fertigen, sind die Hörner und Zähne des Grüffelo, die aus Fimoknete bzw. Holzleim hergestellt werden“, erläutert die Buchbinderin Jana Goldberg und klebt nach und nach den zwanzig Mäusen eine winzige Halbperle als Auge auf. Später bringt sie bei den zwanzig Eulen Augen, Schnabel und Federn an und leimt im Anschluss daran den zwanzig Grüffelos ihre schrecklichen Hauer an. Sind die einzelnen Teile der Figuren zusammengefügt, werden sie auf die entsprechenden Seiten geklebt. Die vorgefertigten Papptiere bekommt die Buchbinderin aus der Relieftechnik. Hier werden Maus, Grüffelo und Co. auf Pappe gezeichnet, mit den verschiedenen Materialien beklebt und anschließend mit dem Plotter ausgeschnitten
Einprägsame Reime in Brailleschrift und Großdruck
Die witzige Geschichte mit den einprägsamen Reimen ist es, die den „Grüffelo“ bei den Kindern so beliebt macht. Im taktilen Bilderbuch können blinde Kinder diese mithilfe der Brailleschrift selbst lesen. Oder aber sehende Geschwisterkinder, Mama oder auch Papa lesen sie vor. So erfahren alle gemeinsam, was passiert, als die kleine Maus auf einmal ihrer schrecklichen Fantasiegestalt begegnet. Sie erleben, wie sie schließlich den Grüffelo mit einer weiteren Geschichte an der Nase herumführt. Alle fiebern mit Spannung und viel Spaß dem Ende der Geschichte entgegen. Eines werden sie bestimmt: die clevere, kleine Maus und das drollige Ungetüm, liebgewinnen.
Ein wunderbares Buch über die Angst und den Mut, vor allem aber über die Macht der Geschichten!