Ran an das Mikrofon und los geht’s!

Zwei weibliche Jugendliche sitzend vor einem Mikrofon und ihrem Text, die eine mit Brille und geringeltem Sweatshirt spricht ins Mikrofon
Im Studio des dzb lesen wird der Text aufgesprochen

„Radio? … machen wir selber!“ sagten sich einige Schülerinnen und Schüler des Landesbildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte „Hermann von Helmholtz“ in Halle an der Saale. Und so trafen sich Anfang September neun Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren zu einem Workshop, den das dzb lesen im Rahmen von „Total Digital! Lesen und erzählen mit digitalen Medien“ gemeinsam mit dem Landesbildungszentrum Halle und dem Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“ initiiert hatte.

„Eine Viertel Stunde Radio soll das Ziel dieser Projektwoche sein“, so der Journalist, Buchautor und Leiter des Workshops, Martin Becker. Das klingt wirklich nicht viel, dahinter steckt aber viel Arbeit!
Bevor die Jugendlichen das Mikrofon in die Hand bekommen, haben sie sich Themen überlegt, die sie in einem Radiobeitrag bearbeiten möchten. In Vorbereitung auf den Workshop lasen sie das Buch „Mein Blind Date mit dem Leben“ von Saliya Kahawatte. In dem Buch geht es um einen jungen Mann, der fast blind ist und sich trotzdem seinen Traum, eine Ausbildung in einem Luxushotel, erfüllt.

Worüber wollen wir sprechen?

Das Buch hat die Jugendlichen dazu inspiriert, eigene Themen zu finden, die sie beschäftigen. „Wir haben über das Buch gesprochen und überlegt, welche Themen dazu passen. Dann haben wir Gruppen gebildet und jede Gruppe hat ein Thema ausgesucht“, erzählt Patricia, 9. Klasse, die nach ihrem Schulabschluss Erzieherin werden möchte. Sie nimmt am Workshop teil, weil sie sich für das Radio und das Sprechen und Moderieren im Radio interessiert. In der Grundschule war sie in einer Theater-AG aktiv. Gemeinsam mit Hanna einer Mitschülerin hat sie sich das Thema Partnerschaft ausgesucht. Wie finden blinde und sehbehinderte Menschen einen Partner? Lawinia, Max und Kevin sind in der Stadt unterwegs und befassen sich mit dem Thema: Wie schwierig ist der Alltag, wenn man auf den Blindenstock angewiesen ist. Francesco und Julian interviewen Hanna zum Thema „Leben mit einem Handicap“ und Jason geht auf humorvolle und ironische Art der Frage nach, ob Behinderte ein erhöhtes Risiko haben, süchtig zu werden.

Großes Plakat "Radio? ... machen wir selber!"an Glastür
Der Workshop begann im Landesbildungszentrum Halle

Ein Haufen wahnsinnig toller kreativer Sturköpfe

Doch die Themen allein ergeben noch keine Radiobeiträge. Deshalb machen sich die Jugendlichen ans Manuskriptschreiben: Sie überlegen, in welcher Form sie ihre Themen umsetzen können. Am Ende sollen kleine Hörspiele, Reportagen, Interviews bzw. Gespräche entstehen. Immer wieder überarbeiten sie ihre Manuskripte, bevor sie dann an die technische Umsetzung ins Audioformat gehen. Max, 9. Klasse, fand es ungeheuer interessant, die O-Töne und Geräuschkulisse mit dem Mikrofon aufzunehmen. „Die Geräusche, wie Straßenverkehr oder das krachende Geräusch, wenn man gegen ein Hindernis läuft, haben wir mit einem Feinmikrofon aufgenommen. Es war spannend zu hören, wie das klingt“, sagt er. Das Einsprechen des Textes im Studio des dzb lesen, war dann wieder etwas ganz anderes für ihn. Der Workshop gefällt Max. „Ich würde ganz gern wieder an so einem Workshop teilnehmen, auch weil ich mal aus dem Schulalltag rauskomme und andere Leute kennenlernen kann.“
Martin Becker vermittelt den Jugendlichen einige Grundlagen in Sachen Sprechen und O-Ton-Aufnahme. Sie erfahren von ihm, wie es klingt, wenn sie ihre eigenen Texte laut vorlesen. „Hier sitzt so ein Haufen wahnsinnig toller kreativer Sturköpfe. Und das gefällt mir. Sie sind unheimlich lieb und offen. Aber auch überhaupt nicht einfach“, meint fasziniert Martin Becker und lacht. „Ich bin begeistert, wie engagiert die Jugendlichen sind und wie interessiert sie das ihnen vermittelte Wissen aufsaugen.“ Er sei zunächst etwas skeptisch gegenüber einem Workshop mit Jugendlichen gewesen, gibt er zu, vor allem weil ihm die Erfahrung mit dieser Altersgruppe fehlte. Jetzt macht es ihm Riesenspaß, den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, was das Medium Radio alles kann.

Aufnahme läuft …!

Patricia und Hanna haben das Manuskript für ein kleines Hörspiel geschrieben und freuen sich schon auf die Aufnahmen im Studio. Begeistert und ohne jegliche Scheu setzen sie sich vor das Mikrofon. In dem von ihnen geschriebenen kleinen Hörspiel geht es um einen Mädelsabend. Hanna besucht Patricia und so kommen sie bei mehreren Energy-Drinks und Chips zu dem, was alle Jugendlichen in ihrem Alter so umtreibt: das andere Geschlecht. Patricia hat für ihre Freundin Hanna so einige Tipps, wie sie Jungs kennenlernen kann. Die Aufsprache klappte hervorragend und beide haben sogar ein bisschen improvisiert, als der Text auf einmal fehlte. Etwas Lampenfieber war wohl doch dabei!

Am Ende des fünftägigen Workshops freuten sich die Mädchen und Jungen darüber, dass sie tatsächlich Radio selber machen können. Sie haben Geschichten erzählt und sich mit dem Mikrofon in der Hand eine Stimme im öffentlichen Raum verschafft. Wenn ihnen das so gut gelang, warum sollten sie sich nicht noch andere Dinge im Leben selber erfüllen? So wie Saliya im Buch „Mein Blind Date mit dem Leben“.

 

Der fertige Radiobeitrag der Jugendlichen wurde den Eltern und weiteren Interessenten in einer Abschlussveranstaltung präsentiert. Zu hören sind die Mädchen und Jungen außerdem in „Radio dzb lesen“, einem Audioformat des Fördervereins „Freunde des barrierefreien Lesens e. V.“

Im Folgenden hört hier noch ein Interview (Teil 1 und 2), das Radio Blau mit den Jugendlichen geführt hat. Chris von Leben mit Handicaps e.V. hatte die Jugendlichen und deren Lehrerin  ins Studio zu Radio Blau eingeladen.

Radio machen wir selber Teil 1: https://youtu.be/zz_Xbhn17XM

Radio machen wir selber Teil 2: https://youtu.be/SEvuF2cXBQI

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