Das dzb lesen war in diesem Jahr zum ersten Mal beim Vorlesefest des Vereins LeseLust e.V. im Clara-Park in Leipzig dabei. Und hat es nicht bereut …
Die letzten Bänke werden noch aufgestellt, einige Wimpel an den Lesezelten befestigt – da toben auch schon die ersten Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren auf der Wiese im Clara-Park herum. Gegenüber vom Musikpavillon hat der Verein LeseLust Leipzig e.V. einige Zelte aufgestellt und lädt vom 3. bis 6. August Kinder und Familien zum Vorlesefest in diesem Jahr ein. Das Wetter meint es gut mit allen Beteiligten: Die Sonne blinzelt ab und zu durch die Bäume hindurch. Auch wenn es manchmal aussieht, als würde es gleich regnen. Dann pustet ein kräftiger Wind die dunklen Wolken über den Clara-Park hinweg. Punkt 10 Uhr sitzen ungefähr 40 Kinder erwartungsvoll auf ihren Bänken.
Der erste Tag des Vorlesefestes steht unter dem Motto „Ich und Du und ein Buch dazu“. Wir haben den Kindern ein ganz besonderes Buch mitgebracht, ein Buch, das aus weißen Seiten mit erhabenen Punkten besteht. Und die Person, die daraus vorliest, ist blind. Statt mit den Augen liest sie mit ihren Fingern.
In der Geschichte geht es um Monster. Hören Kinder von Monstern, dann sind sie aufgeregt und voller Spannung, auf das, was ihnen vorgelesen wird, und sie stellen sich ihr eigenes Monster vor: ein riesiges Ungetüm mit großen Augen, fletschenden Zähnen, ein Monster, das brüllt. Unser Monster aus der Geschichte ist zwar riesig und kräftig, aber es will einfach kein oberfieses Monster sein.
Oskar liebt Blumen, Lea Pferde
Auf die Frage, was den Kindern beim Vorlesen aufgefallen sei, gehen fast alle Ärmchen ganz schnell nach oben. Sie erfahren, dass blinde Menschen, obwohl sie nicht sehen können, trotzdem Bücher lesen können. Eine Schrift, die nur aus fühlbaren Punkten besteht, macht es möglich. Wie diese Punktschrift aussieht und dass es auch Bilder in Büchern für blinde Kinder gibt, zeigen wir ihnen anhand der tastbaren Kinderbücher, die wir mitgebracht haben.
„Kannst du mir das vorlesen?“, fragt Lea, die sich „Oskar liebt“, ein tastbares Bilderbuch für Kinder ab drei Jahren, ausgesucht hat. „Mein Freund heißt auch Oskar“, meint sie, aber er ist heute nicht hier. Ihre kleine Hand ertastet das weiche Gras, die Blätter und die Kirschen im Buch. Dann verrät sie uns noch, dass auch sie – wie Oskar, der kleine Rabe im Buch, – Blumen liebt. Noch mehr aber liebt sie Pferde. Und schon ist sie wieder weg und ein Junge drängelt sich an den Tisch. Ihn spricht das Klapp-Buch „So fühl ich mich“ an. Immer wieder sucht er neue Kopfbedeckungen für die Gesichter. Der zornige König, eine Person mit zusammengezogender Stirn und goldener Krone, gefällt ihm am besten. Dieser sei sicher wütend, weil er kein Essen bekommen habe.
Einige Kinder sitzen auf der Bank und lassen sich von ihrer Kindergärtnerin aus den tastbaren Bilderbüchern vorlesen. Andere basteln am Stand der Deutschen Nationalbibliothek ein kleines Buch oder tollen einfach auf der Wiese herum. Dann wird vor dem Lese-Zelt wieder ein neues Buch vorgelesen.
Die Kinder haben an diesem Vormittag viel Spaß am Entdecken der Geschichten, die ihnen vorgelesen werden. Und vielleicht erzählen sie Mama und Papa zu Hause von den Büchern, deren bunte Bilder man ertasten kann und die sich kaum von den Bilderbüchern in ihrem Kinderzimmer unterscheiden – außer dass die Schrift aus tastbaren Punkten besteht.