Jonathan Evison: Eine fast perfekte Ehefrau
Im 33. Jahrgang unserer Zeitschrift starten wir mit einer Kreuzfahrt. Auf diese begibt sich eine fast perfekte Ehefrau – zumindest hält sich Harriet nach 55 Ehejahren für eine solche. Nach dem Tod ihres Mannes Bernhard unternimmt sie die offenbar noch von ihm für sie geplante Reise und stellt dann fest, dass doch vieles anders war, als sie sich eingeredet hat. Autor dieses Romans ist der bei uns noch relativ unbekannte Jonathan Evison (Kiepenheuer und Witsch, 2017).
Andrea Camilleri: Jagd nach einem Schatten
Einen weitaus höheren Bekanntheitsgrad genießt der Name des leider 2019 verstorbenen Andrea Camilleri. Mit ihm begeben wir uns weit zurück ins 15. Jahrhundert auf die „Jagd nach einem Schatten“ (Nagel und Kimche, 2018). Durch kuriose Umstände landet der ehrgeizige Rabbinersohn Samuel Ben Nissim Abul Farag in einem Konvent, wechselt vom Judentum zum Katholizismus und nimmt mit der Priesterweihe einen neuen Namen an: Guglielmo Raimondo Moncada, den er später durch den Namen Flavio Mitridate ersetzt. Dieser hat tatsächlich von 1445-1489 gelebt und ist als Renaissance-Gelehrter bekannt. Ein Fundstück, wie geschaffen für Andrea Camilleri, der seine Faszination für die geheimnisvolle Figur nahtlos auf den Leser überträgt.
Burghart Klaußner: Vor dem Anfang
Der Schauspieler Burghart Klaußner ist unter die Schriftsteller gegangen und erzählt in seinem Romandebüt „Vor dem Anfang“ (Kiepenheuer und Witsch, 2018) von zwei Männern, die es bis kurz vor Kriegsende im April 1945 geschafft haben, den Krieg zu überleben. Dann erhalten sie einen Auftrag, der sie mit einer vollen Regimentskasse quer durch das zerschossene Berlin führt – auf ihren klapprigen Fahrrädern.
Samuel Selvon: Die Taugenichtse
Von hier aus begeben wir uns ins London der 50er-Jahre. „Die Taugenichtse“, so der Titel des Romans von Samuel Selvon (dtv, 2017), sind aus der Karibik hierhergekommen, jetzt staunen sie über die Dampfwolken vor ihren Mündern. Und wenn der Wochenlohn wieder nicht reicht, jagen sie die Tauben auf dem Dach. Kapitulation? Niemals! Bedingungslos aufrichtig erzählt Selvon von den ersten Einwanderern Englands und schafft mit seinem bereits 1956 erschienenen Episoden-Roman so etwas wie den Beginn der Migrationsliteratur.
Jakob Hein: Die Orient-Mission des Leutnant Stern
Einem interessanten historischen Geschehen widmet sich Jakob Hein in „Die Orient-Mission des Leutnant Stern“ (Galiani, 2018). Das deutsche Kaiserreich wollte im Ersten Weltkrieg erreichen, dass sich die Muslime gegen die Briten und Franzosen, ihre Kolonialherren, erheben. Deshalb wurde der Jude Edgar Stern, ein begabter deutscher Offizier, auf eine abenteuerliche Zugfahrt mit 14 muslimischen Gefangenen nach Konstantinopel entsendet: getarnt als Zirkustruppe.
Claudia Schreiber: Goldregenrausch
In den Alltag einer südniedersächsischen Bauernfamilie führt Sie Claudia Schreibers „Goldregenrausch“ (Kein und Aber, 2018). Die Umstände sind widrig, das Leben und die Arbeit hart: Marie Lenz, das jüngste Kind, entbehrt Liebe und Zuneigung, bis sich die verstoßene Tante Greta um das vernachlässigte Mädchen kümmert. Gemeinsam werden sie so stark, dass sie das Glück schließlich doch noch finden.
Maxim Leo: Haltet euer Herz bereit
Eine ostdeutsche Familiengeschichte erzählt der Journalist Maxim Leo in „Haltet euer Herz bereit“ (Heyne, 2011). Deutsche Geschichte, aber auch Lebensgeschichten von Menschen: Großvater Leo, Resistance-Kämpfer, Spion, Journalist und Gründervater des antifaschistischen Staates. Widerspruch war entweder zwecklos oder führte zu Zerwürfnissen. Maxims kritischer Vater Wolf, ein radikaler Künstler und Freigeist, liebt Gerhards Tochter Anne trotz ihrer Staatstreue. Und Sohn Maxim steht dazwischen und muss einsehen, dass es gegen „revolutionäre“ Eltern kein jugendliches Aufbegehren geben kann. Bis es das Land, das sie aufgebaut und für das sie gekämpft hatten, plötzlich nicht mehr gab.
Henry Beston: Das Haus am Rand der Welt
Abseits von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen dient die Natur als Fluchtpunkt und Mittel zur Selbsteinkehr. Im September 1926 bezog Henry Beston „Das Haus am Rand der Welt“ (Mare-Verlag, 2018), ein kleines Holzhaus am Meer, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Geplant waren zwei Wochen, doch er bleibt ein ganzes Jahr; ein Jahr, in dem er seine Umwelt auf sich wirken lässt. Beston hält sämtliche Beobachtungen in Notizbüchern fest, er beschreibt das Gesehene und Erlebte farbig und detailliert.
Lucie Castel: Weihnachten wird wunderbar
Alle Jahre wieder: Das Weihnachtsfest wird als Fest der Liebe herbeigesehnt, andererseits gilt es als Stresstest. Das erleben auch die Schwestern Scarlett und Mélanie, die am Tag vor Heiligabend nicht auf dem Weg nach Hause in die Bretagne sind, sondern am Flughafen von Heathrow festsitzen. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem ihr Vater gestorben ist und sie ihre Mutter auf keinen Fall Weihnachten allein lassen wollen. Doch diese missliche Situation liefert nur den Auftakt zu einem völlig verrückten Weihnachtsfest, das an gefühlsmäßigen Verwicklungen und tragikomischen Überraschungen nicht zu überbieten ist: „Weihnachten wird wunderbar“ titelte Lucie Castel ihre Geschichte (Thiele & Brandstätter, 2018).
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