Lesen soll entspannen und nicht anstrengen! Auch Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit können ihre Lieblingslektüre genießen. Die neue Großdruck-Bibliothek des dzb lesen bietet seh- und lesebehinderten Menschen eine vielfältige Auswahl an Großdruck-Literatur mit Büchern von Agatha Christie und Charles Dickens, über Umberto Eco und Andrea Camilleri, Dora Heldt und Jonas Jonasson, bis hin zu Daniela Krien und Ingo Schulze. Ungefähr 300 Titel bilden den Auftakt der Großdruck-Bibliothek. Darunter befinden sich zur Hälfte Romane, rund ein Drittel sind Kinder- und Jugendbücher und der Rest Sachbücher.
„Mit der Großdruck-Ausleihe kommen wir dem Bedürfnis seh- und lesebehinderter Menschen nach Lesestoff in großer Schrift nach“, sagt Christiane Felsmann, Leiterin von Bibliothek-Beratung-Verkauf. „Hauptmerkmale der Großdruckbücher sind eine Schriftgröße von mindestens 17 Punkt und eine sorgfältige Auswahl der Titel. Ziel des Projektes war es ein nutzerorientiertes Angebot über einen ansprechenden Online-Katalog zu schaffen.“
Eine hat den Hut auf
Das Projekt „Großdruck-Ausleihe“ nahm vor knapp einem Jahr mit Silvana Kühne als Projektleiterin seinen Anfang. Für die studierte Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerin war es das erste Projekt im dzb lesen, aber lange nicht das erste in ihrer beruflichen Laufbahn. In der Bibliothek der Hochschule für Technik, Wissenschaft und Kunst (HTWK) war sie für das Team- und Medienmanagement verantwortlich, hat die Einführung einer neuen Software und die Katalogumstellung sowie den Relaunch der neuen Webseite koordiniert und war nebenbei noch stellvertretende Bibliotheksleiterin. Berufsbegleitend studierte sie Crossmedia-Management.
Nach 15 Jahren hat sie im dzb lesen einen Neuanfang gewagt. „Ich wollte etwas Neues machen. Die Arbeit im dzb lesen ähnelte der in der Hochschulbibliothek, aber ist doch in einem ganz anderen Bereich. Ich dachte, hier kann ich noch mehr bewirken und anderen Menschen mit meiner Arbeit helfen“, sagt Silvana Kühne und lächelt dabei. Sie beschäftige sich im Projekt vor allem mit Management- und Koordinierungsaufgaben. Dazu gehören Konzepte zu erarbeiten, Schnittstellen zwischen den Fachleuten zu betreuen, Termine zu überwachen. „Ich musste den Fachleuten der verschiedenen Bereiche Aufgaben übermitteln und mit ihnen Ergebnisse abstimmen. Ich habe versucht, dass alle Vorgänge ineinandergreifen und alles zum Termin fertig ist und wir nicht in Rückstand kommen.“
Was steckt hinter den Kulissen der Ausleihe?
Die Großdruckbücher, die ab Juni zur Ausleihe bereitstehen, wurden zur Hälfte im dzb lesen produziert. Jedes Jahr kommen rund 70 Titel hinzu, vor allem Kinder- und Jugendbücher, wie beispielsweise von Kirsten Boie, Maria Parr, Silke Lambeck, Anna Woltz und Isabel Abedi, gehören zur näheren Auswahl. Die andere Hälfte der Bücher hat das dzb lesen von der Schweizerischen Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte in Zürich (SBS) im Austausch mit Großdruckbüchern aus dem dzb lesen erworben. Die Zusammenarbeit soll auch in Zukunft weitergeführt werden.
Damit die Ausleihe funktioniert, mussten die Bücher in der Bibliothek katalogisiert, deren Daten in das Bibliothekssystem eingearbeitet, die Programmierarbeiten in den Systemen und Datenbanken organisiert und getestet werden. Wenn Silvana Kühne ihren Aufgabenbereich erläutert und Arbeitsabläufe in Bibliotheks- und Verwaltungssystemen – für Laien ein Buch mit sieben Siegeln – erläutert, klingt das vermeintlich abstrakt Theoretische sehr verständlich und praktisch. So berichtet sie, dass die Ausleihe der Großdruckbücher on Demand erfolgt. Das heißt: Erst wenn ein Buch über den Online-Katalog ausgeliehen wird, erfolgt der Druck des Buches. Nutzerinnen und Nutzer, die einen Nachweis ihrer Seh- oder Lesebehinderung erbracht und im dzb lesen angemeldet sind, erhalten die gewünschten Bücher in wiederverwendbaren Versandtaschen, die auch für die Rücksendung verwendet werden. Alle Produktionsabläufe, angefangen von der Katalogisierung über die Produktion bis zum Versand des Buches hat Silvana Kühne gemeinsam mit den Programmentwicklern sowie ihren Kolleginnen und Kollegen im dzb lesen getestet.
Andere Herausforderungen, wie zum Beispiel den Online-Großdruckkatalog auf der Internetseite sichtbar zu machen, erfordert neben kreativen Ideen auch analytisches Denken. Welche Funktionen brauchen die Internetseiten, damit die Titel benutzerfreundlich und barrierefrei ausgeliehen werden können? Diese Vorgaben entwickelte Silvana Kühne im kleinen Team und übergab deren Umsetzung an die Fachleute im Informatik-Bereich.
Das nächste Projekt kommt bestimmt
Fragt man Silvana Kühne, was das Schwierigste für sie im Projekt war, dann antwortet sie ohne Umschweife: „Ich war neu im Haus, musste herausfinden, wie das Haus funktioniert und wer wann für mich der richtige Ansprechpartner ist. Das war schon eine Herausforderung!“
Menschen mit eingeschränkter Seh- und Lesefähigkeit können nun nach Herzenslust schmökern. Ganz egal ob sie Krimis oder eine romantische Geschichte lieben. Und ist ein Titel mehrmals ausgeliehen, dann wird er vorgemerkt und sobald als möglich verschickt. Die Abläufe, die im Hintergrund stattfinden, hat Silvana Kühne gemeinsam mit Fachleuten koordiniert. „Es ist ein gutes Gefühl, wenn das Projekt zu Ende geht und alle Prozesse laufen wie vorgesehen ab“, meint die Expertin. „Es folgen sicher noch einige Nachjustierungen und Anpassungen. Aber ich freue mich schon auf das nächste Projekt, die Umstellung der Braille-Medien-Ausleihe auf das System dibbs. Hier können viele Vorgänge ähnlich denen im Großdruck angepasst werden.“ Zweifellos: Ideen dafür hat sie schon!