Barrierefreie Videospiele

Für viele Jugendliche und auch Erwachsene gehören Videospiele zu ihren größten Hobbys. Ob man durch eine postapokalyptische Welt schreitet, im Mittelalter in die Rolle eines edlen Ritters schlüpft oder einfach nur eine eigene Farm leitet – so kann man die unterschiedlichsten Welten erfahren. Doch wie viel Barrierefreiheit bieten Videospiele eigentlich?

Ein Beitrag von Lilly Frenk

Nach den textbasierten Abenteuern der Siebziger, die sich noch einfach mit einem Screenreader spielen ließen, wuchsen die grafischen Möglichkeiten der Entwicklerstudios. So rutschte der visuelle Aspekt stärker in den Vordergrund, wodurch viele Spiele weniger zugänglich wurden. Doch es gibt trotzdem viele Möglichkeiten, wie man Games barrierearm genießen kann und der technische Fortschritt lässt uns auf mehr Barrierefreiheit hoffen.

Die ersten barrierefreien Videospiele waren, neben den Textabenteuern, einzelne Arcade-Games, die keinen Monitor hatten. Doch deren Zugänglichkeit entstand eher unabsichtlich, sie waren einfach zufällig auch von blinden Personen nutzbar. Das änderte sich, als der japanischer Spieleentwickler, Kenji Eno, auf die Idee kam, speziell ein Spiel für blinde Kinder zu entwerfen. So entstand 1997 das erste Audio-Game „Real Sound: Wind of Regret“. Dabei passiert auf dem Bildschirm nichts, die Geschichte wird nur über Geräusche erzählt, darüber orientiert man sich ebenfalls.

Audio-Games heute

Auch heute gibt es für verschiedene Plattformen eine Vielzahl an Audio-Games, als App für das Telefon beispielsweise „A Blind Legend“. Hier spielt man einen Ritter, dessen Frau entführt wurde und der sie mit der Hilfe seiner Tochter retten will. Die Steuerung funktioniert hier über Handgesten oder den Touchscreen.

„The Vale“ ist ein Spiel für den PC, in dem man einen blinden Thronfolger verkörpert, der plötzlich auf einer Reise überfallen wird. Die Feinde fliehen danach Richtung Hauptstadt, was unser Protagonist natürlich nicht zulassen kann. Das Spiel gibt seinen Spielern und Spielerinnen viele auditive Hinweise und bietet dank seines dreidimensionalen Sounds eine einfache Orientierung.
Wer keine Lust hat, immer nur im Mittelalter rumzugeistern, sollte sich an „Lost and Hound” probieren. Als kleiner Corgi rennt man durch den Wald und hilft den Menschen bei einigen Aufgaben. So muss man beispielsweise Verletzte nach einem Autounfall bergen. Auch Kinder können mit Audio-Games Spaß haben, für sie gibt es etwas simplere Spiele, wie beispielsweise „Fang mich“, „Sensory“ oder „Memory“.

Barrierefreiheit der Video-Games

Wer sich eher an ‚herkömmlichen‘ Spielen probieren möchte, kann auch dort auf seine Kosten kommen. Bis vor Kurzem mussten besonders motivierte, blinde Gamer noch verschiedene Spiele stundenlang trainieren, bis sie sich an den Sounds orientieren konnten. Möchte man diese Mühe verständlicherweise nicht auf sich nehmen, bieten einige Triple-A-Titel mittlerweile extra Barrierefreiheitseinstellungen an. „The Last of US Part II“ galt bei seiner Veröffentlichung 2020 als Meilenstein auf diesem Gebiet. Neben Text-zu-Sprache Funktionen, Vibrationshinweisen und einem Pfeil, der in die Richtung des Ziels weist, sind insgesamt mehr als 60 Einstellungen möglich. Auch Klassiker wie „World of Warcraft“ liefern mit regelmäßigen Updates mehr Barrierefreiheit. Dazu zählen unter anderem Einstellungen für die Schriftgröße, akustische Hinweise, einen Farbblindheitsmodus und Anpassungen der Kontraste.

Ein neuester Titel, der durch seine Barrierefreiheit glänzt und damit hoffentlich den Grundstein für die zukünftige Arbeit der großen Entwicklerstudios legt, ist „God of War: Ragnarök“. Das im November 2022 erschienene Spiel bietet außer den typischen Einstellungen zur Schriftgröße und Text-zu-Sprache, einen Modus mit besonders hohem Kontrast. Dieser reduziert die Farbintensität des Hintergrunds und hebt die interaktiven Gegenstände oder Charaktere auf dem Bildschirm hervor. So erscheinen Gegner in einem grellen Rot. Dazu gibt es auditive Hinweise, die einen Ton abgeben, wenn man beispielsweise vor einem Sammelgegenstand steht.

Hilfreiche Technik und Webseiten

Auch für motorisch eingeschränkte Menschen gibt es bereits einige Möglichkeiten, um auftretende Barrieren zu umgehen. Neben Eye-Tracking, gibt es alternative Gamepads, die beispielsweise mit den Füßen oder dem Mund bedient werden können. Für blinde Menschen könnte ein neuer Controller von Microsoft Abhilfe schaffen – laut eines freigegebenen Patents soll der Controller ein Braille-Raster an der Unterseite haben. Damit können Spieler Texte im Game lesen und auch selbst Dinge eingeben, sowie mit anderen Spielern und Spielerinnen chatten. Wann dieser Controller auf den Markt kommen soll, ist aber noch unklar.

Wie man unschwer erkennen kann, wurden definitiv Fortschritte gemacht, um viele Games zugänglich für behinderte Menschen zu machen. Doch insgesamt scheinen sehbehinderte Spieler und Spielerinnen bisher recht wenig bedacht worden zu sein. Das erkennt man bei den Nominierten des TOMMI Awards. Diese Auszeichnung würdigt jedes Jahr verschiedene Spiele für Kinder. Die Nominierten von 2022 wurden auf Barrierefreiheit getestet: in der Kategorie Sehen, kann keines der Spiele mit dem Prädikat „barrierefrei“ oder „barrierearm“ glänzen.

Gaming ohne Grenzen ist ein Projekt der Fachstelle für Jugendkultur NRW und testet ebenfalls populäre Spiele auf ihre Barrierefreiheit – auch hier fällt auf, dass keine Spiele mehr als „wenig Barrieren“ vorzeigen konnten. Dadurch kann es schwer sein, zu erkennen, welche Spiele nun barrierefrei sind. Doch es gibt einige Webseiten, die mehr Durchblick verschaffen wollen.

Interessiert?

Auf Seiten wie wie „Can I Play That?“, „DAGER“ und „BlindGamers.com“ finden (seh-) behinderte Menschen Rezensionen zu zahlreichen Spielen, die genau beschreiben, ob und wie ein Spiel für sie zugänglich ist.

In NRW organisiert Gaming ohne Grenzen zudem unterschiedliche, inklusive Jugendgruppen, wo sich junge Menschen mit Interesse an Videospielen treffen und austauschen können. Um mitzumachen, genügt eine Nachricht an info@gaming-ohne-grenzen.de!

Sollte nun Ihr Interesse geweckt sein und Sie möchten sich selbstständig in die Flut der Videospiele stürzen und entdecken, was es da draußen alles gibt, kann ich Ihnen nur sagen: Trauen Sie sich! Im schlimmsten Fall finden Sie heraus, dass Sie Videospiele doch nicht mögen. Und wer sich lieber vorsichtig rantasten will, kann auf YouTube nach blinden Let’s Playern suchen und erst einmal nur zuhören.

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