Gesellschaftsspiele – ein Hobby für blinde Menschen?

Auf einem Tisch sind ein "Mensch ärgere dich nicht" für blinden Menschen, Würfel mit taktilen Punkten und ein Kartenspiel
Mensch ärgere dich nicht

Der Sommer ist vorbei, die Tage werden kürzer. Jetzt ist die schönste Zeit, lange Winterabende mit Freunden und Familie zu verbringen– vielleicht mit einer großen Kanne Tee und dem einen oder anderen spannenden Gesellschaftsspiel. Katja Löffler (Stiftung Centralbibliothek für Blinde, Hamburg) hat recherchiert, welche Spiele es für blinde Menschen gibt und folgende interessante Informationen für Sie.

Unter sehenden Menschen erfreuen sich Brett- und Kartenspiele großer Beliebtheit. Jährlich erscheinen unzählige neue Spiele auf dem Markt. Das Highlight aller Spielefans ist die alljährliche Spielemesse in Essen, auf der man sich nach Herzenslust die Neuheiten anschauen, ausprobieren und meist zu Sonderpreisen auch kaufen kann. Doch wie sieht der Markt für blinde Menschen aus, können sie von der Spielevielfalt profitieren oder sind sie davon ausgeschlossen?

Die kleinere Wahl

Für blinde Menschen sind Gesellschaftsspiele längst nicht so fest im Alltag verankert. Natürlich gibt es auch blinde Spielefans. Doch sind Spiele für sie nicht selbstverständlich, denn die Auswahl ist um ein Vielfaches kleiner als für sehende Spielefans.
Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen müssen Spiele erst einmal adaptiert, also für blinde Menschen zugänglich gemacht werden, zum anderen lässt sich längst nicht jedes Spiel so aufbereiten, dass es auch ohne Hilfe gespielt werden kann. Manche Spiele sind vom Aufbau und vom Spielverlauf her so komplex, dass blinde Menschen komplett den Überblick verlieren würden. Die Spielsituation wechselt ständig, genauso wie die Lage der auf dem Tisch ausgebreiteten Spielmaterialien, so dass das Spiel allein durch Fühlen und Anfassen nicht begreifbar wäre.
Zudem lassen sich längst nicht alle Originalspiele einfach so umrüsten. Häufig ist es nötig, das entsprechende Spiel ganz neu zu „bauen“, losgelöst vom Original und seinen Materialien. Ein gutes Beispiel dafür ist das bekannte Brettspiel Mensch-ärgere-Dich-nicht. Hier bringt es nichts, nur taktile Linien auf das originale Spielbrett aufzubringen, denn die einzelnen Felder wären nicht fühlbar und auch die Figuren würden sich zu leicht auf dem Brett verschieben lassen. Deshalb braucht es ein extra Spielbrett mit fühlbaren Feldern, entweder mit Löchern, in die ebenso spezielle Figuren hineingesteckt werden oder mit Magnetfeldern, auf die magnetische Figuren gesetzt werden können.

Der Weg durch das verrückte Labyrinth

im berühmten Spieleklassiker geht jedoch die Reise los, wenn man sich darüber informieren möchte, welche Spiele bereits für blinde Spielefans aufbereitet sind und wo man sie bekommt. Leider gibt es hierzu nirgends eine Gesamtübersicht. Im regulären Handel findet man blindengerecht adaptierte Spiele selten bis gar nicht. Man bekommt sie vor allem bei speziellen Hilfsmittelhändlern und dort zu ziemlich saftigen Preisen. Dies ist allerdings meist der aufwändigen Produktion und den hochwertigen Materialien geschuldet. Am leichtesten zu finden sind Spieleklassiker wie Schach, Dame, Mühle und das bereits erwähnte Mensch-ärgere-dich-nicht. Auch gängige Spielkarten wie z.B. für Skat oder Rommé haben die meisten Anbieter im Sortiment. Neuere und moderne Spiele sucht man eher vergeblich.

Die kleinen Helden des Alltags

Durch das Engagement einzelner Kleinstfirmen oder Privatpersonen findet man aber doch die eine oder andere Perle, Spiele, die in mühevoller Handarbeit aufbereitet wurden. Beispielsweise haben sich Erika und Volker Lendeckel mit “Velen-Spiele“ darauf spezialisiert, Spiele von Ravensburger blind spielbar zu machen. Sie bauen keine extra Spielbretter, sie rüsten das Originalspiel mit Magnetfolien, Markierungspunkten und Beschriftungen in Brailleschrift so um, dass es von Blinden und Sehenden gleichermaßen gespielt werden kann.
Im Sortiment von Velen-Spiele finden sich so beliebte Familienklassiker wie beispielsweise „Sagaland“, „Die Maulwurf Company“ oder auch das bereits erwähnte „Das verrückte Labyrinth“.

Ein inklusives Kartenspiel

Gesellschaftsspiele bieten eine große Chance für gelebte Inklusion. Wenn sich alle, ob blind oder sehend, gleichwertig an einem Spiel beteiligen und alle daran gemeinsam Spaß haben können, hat das Spiel einen sehr inklusiven Charakter. Das scheint sich langsam auch bei der Spieleindustrie herumzusprechen, denn in diesem Jahr hat der Spielehersteller Mattel das erste offizielle Uno Braille Kartenspiel auf den Markt gebracht, das Blinde und Sehende gemeinsam spielen können. Unterstützt wurde Mattel dabei von der National Federation of the Blind (NFB), dem Blindenverband der USA. Damit baut der Hersteller seinen Inklusionsgedanken weiter aus, nachdem er bereits 2017 mit Uno ColorADD ein Kartenspiel für farbenblinde Menschen veröffentlichte. Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 17,99 Euro nähert sich das Spiel auch der Preisstruktur von Spielen für Sehende an. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, den noch viel mehr Spielehersteller und Entwickler gehen sollten. Der Inklusionsgedanke muss auch hier weiterwachsen.

Wo bekommt man adaptierte Gesellschaftsspiele?

• Velen-Spiele (www.velen-spiele.de) und Ravensburger
• Onlineshop von Sehhelfer (www.sehhelfer.de)
• Blindenhilfsmittelvertrieb Dresden (www.deutscher-hilfsmittelversand.de)
• Deutscher Hilfsmittelvertrieb (DHV), im Onlineshop des VZFB (www.deutscherhilfsmittelvertrieb.de)
Das Uno Braille von Mattel bekommt man im regulären Spielehandel und natürlich auch über Amazon.

Tipp

Das dzb lesen bietet allen Spielefans adaptierte Ausgaben der bekannten Kartenspiele Black stories 2, 3 und Black stories – Scary Music Edition an. Absurde und mysteriöse Mordfälle, ein aus Verzweiflung begangener Selbstmord, ein schicksalhafter Unfall oder ein lebensgefährliches Hobby müssen erraten werden. Durch Fragen, Raten und Tüfteln wird der Tathergang Stück für Stück rekonstruiert – allein oder mit mehreren Spielern.

Black stories – Scary Music Edition

Black stories besteht aus Spielkarten mit rabenschwarzen Rätselgeschichten und einer Spielanleitung in Voll- und Großschrift (35 Euro). Das Kartenspiel ist aber auch nur in der Vollschrift-Variante erhältlich (19 Euro).
Zum Beispiel hält Black stories – Scary Music Edition makabre Geschichten aus der Welt der Musik bereit, die fast immer auf realen Ereignissen beruhen. Diese Rätselgeschichten sind gemeinschaftlich zu knacken. So verbinden sich Wissensvermittlung zur Musikgeschichte und kurzweilige Unterhaltung!

Weitere Infos erhalten Sie auf www.dzblesen.de  oder telefonisch unter 0341 7113119 bzw. per Mail unter verkauf@dzblesen.de

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