Dass Internetseiten öffentlicher Stellen seit einigen Jahren barrierefrei sein müssen, ist vielen bekannt. Doch wissen Sie auch, dass es Beratungs- und Prüfstellen gibt, die die Einrichtungen unterstützen, ihre Internetseiten barrierefrei zugänglich zu machen? BIKOSAX – das Kompetenzzentrum für barrierefreie Informations- und Kommunikationsangebote in Sachsen, ist so eine Stelle. Es richtet sich in erster Linie an Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen, wird aber auch von Kultureinrichtungen, Verbänden und Unternehmen beauftragt. BIKOSAX sensibilisiert in Schulungen für digitale Barrierefreiheit, prüft Internetseiten auf Barrierefreiheit und berät bei der Umsetzung. Gabi Schulze sprach mit Dr. Julia Dobroschke, Leiterin von BIKOSAX, über deren Arbeit.
Wie viele Leute arbeiten unter Ihrer Leitung in BIKOSAX?
Ich arbeite mit einer Kollegin und zwei Kollegen zusammen, die ich gern vorstellen möchte: Sarah Bohnert ist seit 2019 im Team. Sie prüft für uns seit mehreren Jahren die barrierefreie Zugänglichkeit von Internetseiten und führt Beratungen und Schulungen zu diesem Thema durch. Unser neuer Kollege Mike Frerking unterstützt sie seit Mitte dieses Jahres bei der Prüfung von Internetseiten. Er hat sich schnell in das Testen von Web-Inhalten eingearbeitet. Und im Dokumentenbereich ist Martin König unser Ansprechpartner für unser Haus und alle externen Anfragen. Er ist seit 7 Jahren, also von Anfang an, im BIKOSAX-Team und übernimmt u.a. auch App-Prüfungen.
Für öffentliche Stellen in Sachsen ist seit einigen Jahren gesetzlich vorgeschrieben, barrierefreien digitalen Zugang zu gewährleisten. Welche Einrichtungen zählen zu den öffentlichen Stellen?
Zu den öffentlichen Stellen gehören u.a. Behörden, Gerichte, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Auch Kulturverbände oder Vereine können darunter zählen, sofern die Finanzierung mindestens zu 50% aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Staatsbetriebe wie das dzb lesen, dessen Förderverein oder auch die Stadt Leipzig sind ganz unmittelbare Beispiele, auf die jene Gesetzgebung zutrifft.
Öffentliche Stellen melden sich bei Ihnen und beauftragen BIKOSAX, deren Internetseiten zu prüfen. Wie gehen Sie da vor?
Bei den meisten Anfragen beurteile ich zunächst, ob es sich um einen allgemeinen oder eher individuellen Kundenwunsch handelt. Wir bieten mittlerweile mehrere Prüfoptionen an, um den Kunden zu unterstützen, Barrierefreiheit umzusetzen. Das ist unabhängig davon, in welcher Phase er sich gerade befindet. Deshalb kann es sein, dass ich einem Neukunden zunächst eine Einstiegsprüfung anbiete, bei der zunächst nur die Startseite nach unserer BIKOSAX-Checkliste geprüft wird. Für öffentliche Stellen, die schon eigene Erfahrungen mit dem Thema Barrierefreiheit gemacht haben, ist aber eine Kurzprüfung sinnvoller. Bei dieser werden auch weitere Seiten stichprobenartig getestet. Wer seine Seite zertifizieren möchte, muss allerdings eine Komplettprüfung durchlaufen und erhält bei erfolgreichem Abschluss das BIKOSAX-Gütesiegel.
Kommen wir zu praktischen Beispielen. Bei der Prüfung der Internetseite stellen Sie fest, dass der Screenreader die Internetseite mangelhaft ausliest, welche Fehler wurden beim Anlegen der Seite gemacht?
Das kann verschiedene Ursachen haben. Oftmals liegt der Grund darin, dass die HTML-Struktur der Internetseite nicht korrekt ausgezeichnet wurde, so dass Überschriften oder Listeneinträge zum Beispiel nicht als solche ausgezeichnet sind. So kann es sein, dass die Sprachausgabe zwar den Text, aber keine Strukturinformationen dazu vorliest. Wenn dann noch die Lesereihenfolge fehlerhaft angelegt wurde oder Alternativtexte für Abbildungen fehlen, was weitere Fehler bei der Erstellung der Internetseite sein können, ist die Frustration bei der Nutzerschaft schon sehr hoch.
Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Prüfung von Internetseiten, PDF- und Worddokumenten auffallen?
Neben der gerade beschriebenen Barriere, dass Inhalte nicht logisch strukturiert sind, fehlen fast genauso oft Alternativtexte für Abbildungen sowohl auf Internetseiten als auch in Dokumenten. Das hat zur Folge, dass vor allem blinden und stark sehbehinderten Menschen die Bildinformationen gänzlich fehlen. Ebenso häufig finden wir oft unzureichende Kontraste zwischen Schrift- und Hintergrundfarbe vor, was dazu führen kann, dass wichtige Informationen, die z.B. nur über die Farbgestaltung gekennzeichnet wurden, gänzlich verloren gehen.
Welche Internetseiten von öffentlichen Stellen, die Ihr Team geprüft hat, sind Ihnen in Erinnerung geblieben und warum?
In diesem Frühjahr haben wir begonnen, die Internetportale des Freistaates Sachsen zu prüfen. Im Moment beläuft sich die Anzahl auf ca. 300 Internetauftritte, die das gesamte Team in den nächsten drei Jahren nacheinander prüfen wird. Diese Arbeit wird sicher zu einer langfristig guten Überarbeitung der Seiten des Freistaates führen, da wir sowohl mit der Staatskanzlei als auch der Entwicklerfirma eng zusammenarbeiten und regelmäßig Feedback senden.
Auch Agenturen, die das Thema Barrierefreiheit bereits zu Beginn neuer Projekte einplanen, schneiden bei den entwicklungsbegleitenden Prüfungen schon gut ab. Unsere Kollegen müssen dann später nur noch Details anmerken. Wenn wir Komplettprüfungen durchführen, bleibt das auch im Gedächtnis, da der Auftraggeber dann mehrere Kurzprüfungen und einen Abschlusstest bestehen muss, was deutlich mehr Zeit unseres Prüfteams beansprucht. Zu nennen sind hier zum Beispiel das Verkehrsmuseum Dresden oder auch der Auftritt des Museums Schloss Klippenstein. Hier haben wir jeweils ein BIKOSAX-Gütesiegel für einen barrierefreien Internetauftritt vergeben können, nachdem die Kompletttests erfolgreich bestanden wurden.
Die digitale Barrierefreiheit für öffentliche Stellen ist bereits seit 2019 gesetzlich verankert. 2025 wird die digitale Barrierefreiheit in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auf Teile der Privatwirtschaft ausgeweitet. Kannst du dazu ein paar Worte sagen?
Der private Sektor wird durch dieses Gesetz ebenfalls zur barrierefreien Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen angehalten. Betroffen sind zum Beispiel Internetseiten, auf denen Webshops zu finden sind. Auch die Verlagsbranche muss ihre E-Books bis Ende Juni 2025 barrierefrei anbieten. Für letzteres Thema haben wir im Haus den Bereich für Inklusives Publizieren, der Verlage seit einigen Jahren konkret dazu berät und schult.
Was können blinde und sehbehinderte Menschen tun, wenn sie feststellen, dass die Internetseite öffentlicher Stellen nicht barrierefrei ist?
Nutzerinnen und Nutzer, die aufgrund ihrer Behinderungen eine Internetseite nicht bedienen können, haben die Möglichkeit, sich an die Durchsetzungsstelle ihres Landes zu wenden. Diese Kontaktstelle ist im jeweiligen Landesgesetz benannt und übernimmt eine Vermittlerfunktion zwischen dem Betreiber der Internetseite und dem Nutzer. In Sachsen wird diese Option derzeit noch wenig genutzt, weil sie leider noch relativ unbekannt ist. Es wäre schön, wenn sich künftig mehr Menschen, die Bedienungsprobleme auf Internetseiten feststellen, entschließen, diese Barrieren an die Durchsetzungsstelle zu melden.
Zur Person: Seit 2017 arbeitet Dr. Julia Dobroschke im Team BIKOSAX und koordiniert den entsprechenden Auftragsbereich. Zwei Jahre später hat sie auch die Leitung des Teams BIKOSAX übernommen.
Weitere Informationen erhalten Sie unter j.dobroschke@dzblesen.de oder telefonisch unter 0341 7113-236.