Ein Beutel Kirschen als Dankeschön

Zwei Frauen, eine sitzend und eine stehend vor einem Tisch, im Hintergurnd das Beratungsmobil
Das „Blickpunkt-Auge“-Team Liane Völlger und Ulrike Meinhold

Der Terminkalender von Liane Völlger und Ulrike Meinhold ist reichlich gefüllt. Die eine arbeitet als Bibliothekarin in der DZB, die andere beim BSV Sachsen „Blickpunkt Auge“. Beide treffen sich an zwei bis drei Tagen in der Woche und sind dann mit dem Beratungs- und Bibliotheksmobil „Blickpunkt Auge“ in Sachsen unterwegs. Im Juni stand der weiße Mercedes-Sprinter mit dem blauen Auge beispielsweise in Hoyerswerda, Kamenz, Meißen, Löbau, Zittau und Bautzen auf Marktplätzen oder vor Bibliotheken. Die beiden „Blickpunkt-Auge“-Beraterinnen informieren über Zuständigkeiten und staatliche Leistungen, aber auch über rechtliche und finanzielle Ansprüche seheingeschränkter Menschen. Sie geben einen Überblick über Sehhilfen und andere Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern können.
Wir haben nachgefragt und wollten mehr wissen über die Menschen, die zu ihnen kommen und Rat suchen, über die Resonanz vor Ort auch in ländlichen Regionen und darüber, was noch besser gehen könnte.

Worin sehen Sie ihre Hauptaufgabe? Was soll die individuelle Beratung bringen?

Meinhold: Ich möchte Ratsuchenden Perspektiven aufzeigen, wie sie mit ihrer Seheinschränkung ihren Alltag selbstständig und mit mehr Lebensqualität meistern können. Nur in der individuellen Beratung ist es möglich, die Bedürfnisse jedes Einzelnen herauszufinden und individuelle Lösungswege zu erarbeiten. Denn die Anliegen und Lebenssituationen der Menschen, die zu uns kommen, sind doch recht unterschiedlich.

Völlger: Information. Das ist meine Hauptaufgabe, Betroffene oder Interessierte generell über die DZB und deren Angebote zu informieren.

Welche Menschen nehmen das Beratungsangebot an?

Meinhold: Es sind überwiegend ältere Menschen, die kommen. Die meisten Ratsuchenden haben die Diagnose der Altersbedingten Makuladegeneration.

Völlger: Ja, genau. Dabei hält es sich ungefähr die Waage, ob es sich um Frauen oder Männer handelt. Obwohl Frauen statistisch gesehen häufiger betroffen sind. Unser Angebot wird aber auch immer wieder von Menschen in Anspruch genommen, die noch im Berufsleben stehen und die Rat und Hilfe benötigen, um ihren Beruf weiter ausführen zu können.

Können Sie sich an einen oder zwei der Ratsuchenden näher erinnern?

Meinhold: Oh ja. Da gibt es mehrere. Ich denke da zum einen an eine Frau, ca. 60 Jahre alt, mit Retinopathia pigmentosa, die unter einem zunehmenden Gesichtsfeldausfall und einer Nachtblindheit leidet und von ihrem Ehemann nur wenig Verständnis und Unterstützung bekommt. Als wir das nächste Mal in ihrem Ort Station machten, kam sie zu einer Folgeberatung mit einem Beutel Kirschen aus ihrem Garten und teilte uns erfreut mit, dass es mit der Verordnung einer Kantenfilterbrille und einer Schulung in Orientierung und Mobilität geklappt hat. Beides waren Maßnahmen, von denen sie bis dato noch nie etwas gehört hatte.

Ein anderes Beispiel lässt mich an eine junge Frau denken, Mutter und berufstätig, mit einer noch recht frisch diagnostizierten Zapfen-Stäbchen-Dystrophie. Sie war verzweifelt, weil sie sich mit der Diagnose allein gelassen fühlte. Sie wusste auch noch nicht, was die Diagnose eigentlich bedeutet. Ich erklärte ihr die Augenerkrankung anhand eines Augenmodells und zeigte ihr Kantenfilter. Über beides war sie sehr froh, weil sie nun endlich wusste, was in ihrem Auge passiert und den Kantenfilter wollte sie am liebsten gleich behalten, weil er ihr das Sehen so viel angenehmer machte. Aber den i-Punkt der Beratung machte die Anwesenheit einer weiteren „Blickpunkt-Auge“-Beraterin aus, die genau dieselbe Augendiagnose besaß und (dennoch) fröhlich und selbstständig durchs Leben geht. Das machte der Ratsuchenden so viel Mut, dass sie völlig verwandelt unser Beratungsmobil verließ.

Welche Fragen werden Ihnen häufig gestellt?

Meinhold: Häufig kommen Ratsuchende, um zu erfahren, was es für Nachteilsausgleiche und für Hilfsmittel gibt. Aber auch Fragen zu den medizinischen Hintergründen der Augendiagnose begegnen uns oft.

Völlger: Was gibt es für Sehhilfen? Wie kann ich weiterhin lesen? Gibt es finanzielle Unterstützung für mich? Was habe ich genau für eine Erkrankung und was wird mit meinem Augenlicht passieren?

Wie ist die Resonanz vor Ort?

Meinhold: Die Resonanz ist in der Tat sehr unterschiedlich. Manchmal werden wir förmlich überrannt und manchmal gibt es auch Beratungstage, wo niemand kommt. Und auch dazwischen gibt es alles.

Völlger: Genau, die Resonanz variiert und es lassen sich Rückschlüsse auf die Menschen in einer bestimmten Region ziehen. Dafür gibt es aber letztlich keine Beweise und das muss mit einem Augenzwinkern betrachtet werden. Spaß beiseite! Wie unser Mobil besucht wird, hängt von sehr vielen Faktoren ab, z.B. dem Wetter, unserem Standort, unserer Werbung und der Unterstützung unserer Ansprechpartner vor Ort, aber auch von der Infrastruktur, sprich, wie viele Augenärzte und Optiker gibt es und wie ernst nehmen diese ihre Aufgabe in der Versorgung von Patienten, die eine Erkrankung haben, der kaum noch medizinisch beizukommen ist.

Wenn Sie von heute an zurückschauen auf den Beginn, was hat sich im Laufe der Zeit in Ihrer Arbeit verändert?

Völlger: Natürlich ist die Arbeit und die Organisation der Termine viel routinierter und strukturierter geworden. Zu Beginn war ja alles ganz neu und ich musste erst einmal herausfinden, was ich wann und wie zu tun habe. Wer sind meine Ansprechpartner? Auch die Materie, vor allem die Inhalte des Beratungsangebotes „Blickpunkt Auge“ waren mir neu und ich musste mich erst einarbeiten. Mittlerweile bin ich selber „Blickpunkt Auge“-Beraterin und voll auskunftsfähig. Das ist natürlich ein schönes Gefühl, wenn man die Fragen der Betroffenen beantworten und helfen kann. Gleich geblieben ist die „Unbekannte“ vor Ort. Generell wissen wir nie genau, was uns an einem Ort erwartet, wie viele Interessenten uns aufsuchen oder in welcher Verfassung sich die Betroffenen befinden. Da sind schon viele bewegende Momente dabei gewesen.

Meinhold: Wir haben uns eine organisatorische Struktur erarbeitet. Wir wissen jetzt, wie man Stellplätze für das Mobil anmietet, wie man die Presse vor Ort informiert und wen wir im Vorfeld mit Flyern versorgen, die unseren Termin ankündigen. Was simpel klingt, mussten wir uns zunächst für jeden Beratungsort einzeln erarbeiten, was viel Aufwand bedeutete. Jetzt sind wir da schon wesentlich routinierter. Darüber hinaus sind Frau Völlger und ich auch als Team vor Ort viel eingespielter geworden. Mit zunehmender Kenntnis über den Arbeitsbereich des anderen konnten wir die Beratungen optimieren und besser koordinieren. Gleich geblieben sind die Inhalte der Beratungen: wir werden immer wieder mit ähnlichen Themen konfrontiert.
Was sich extrem ändert ist das Wetter! Von -10 Grad bis +30 Grad, Schnee, Regen, Sturm, Sonnenschein und Hitze … und wir mittendrin!

Was könnte noch besser gehen?

Völlger: Natürlich können immer Optimierungen vorgenommen werden. Ein Problem, für das ich aber noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden habe, ist die Ungeduld der Ratsuchenden. Häufig sind bei unserer Ankunft schon mehrere Ratsuchende vor Ort und ich muss dann versuchen, Termine zu vergeben und diese mit den Voranmeldungen in Einklang zu bringen. Da kann es schon frustrierend sein, wenn sich die Ratsuchenden nicht vertrösten lassen wollen und das Angebot, in ein oder zwei Stunden wieder zu kommen, ausschlagen.

Meinhold: Die Kooperation mit den Augenärzten! Wir wünschen uns sehr, dass Augenärzte unser Beratungsangebot als Möglichkeit wahrnehmen, ihren Patienten über das Medizinische hinaus etwas mit an die Hand zu geben, was ihnen im Alltag und im Leben mit ihrer Seheinschränkung weiterhelfen kann.

Vielen Dank!

Kontakt: sachsenmobil@blickpunkt-auge.de

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