Das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen bietet Bücher in einfacher Sprache in den Formaten Braille-Vollschrift, Großdruck und Hörbuch zum Verkauf oder zur Ausleihe an: Bücher mit einfachen Sätzen, übersichtlichem Layout und geringer Seitenanzahl, aber nicht weniger spannend!
Monika Hohmann (Name geändert – die Red.) hat von diesem Angebot erfahren und leiht sich seitdem im dzb lesen Bücher in einfacher Sprache aus. Sie ist blind, hatte vor fünf Jahren einen Schlaganfall und musste das Lesen wieder ganz neu erlernen. Seitdem fällt es ihr schwer, Bücher in Brailleschrift zu lesen. Doch mit den Büchern in einfacher Sprache kommt sie sehr gut zurecht. Besonders hat ihr der Roman von Gaston Leroux „Phantom der Oper“ gefallen, weil es darin um eine Liebesgeschichte mitten in der Pariser Oper geht.
So wie Monika Hohmann haben etwa 20 Millionen Menschen im Erwachsenenalter in Deutschland Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Das sind zum Beispiel Menschen mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche, Erwachsene, die in der Schule nie richtig lesen gelernt haben, Leseanfänger mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, alte Menschen, die sich nicht mehr lange konzentrieren können oder Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Einfache, kurze Sätze in Brailleschrift und Großdruck
„Allan und Julius stehen sprachlos vor dem Koffer. Was sie sehen, ist Geld. Nichts als Geld. Der Koffer ist randvoll mit 500-Kronen-Scheinen. Die sind zu kleinen Paketen gebündelt.“ Das ist ein Auszug aus dem Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster sprang und verschwand“ von Jonas Jonasson. Darin geht es um die irrwitzige Lebensgeschichte eines starrköpfigen Mannes, der immer wieder in die großen politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts verwickelt war. Der Spaß am Lesen Verlag hat diesen Roman umgeschrieben, so wie andere Bestseller, Literaturklassiker und preisgekrönte Romane. Bücher mit kurzen Sätzen, einfacher Handlung und ohne Fremdwörter sollen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern Interesse für das Lesen wecken.
Diese Bücher mit entschlackter Sprache und übersichtlichem Layout in das Brailleschrift-, Großdruck- und Hörbuchformat zu übertragen und dabei immer der Geschichte den Vorrang zu lassen, war eine besondere Herausforderung der Produktion im dzb lesen.
„Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit den Themen leichte und einfache Sprache, habe einmal einen Kurs zur Erstellung von Texten in leichter Sprache besucht und lese den Newsletter des Spaß am Lesen Verlags, von dem die Titel kommen, die wir übertragen“, erzählt Anja Lehmann, Korrekturleserin im dzb lesen. „Dort werden ganz unterschiedliche Bücher so gekürzt und umformuliert, dass sie auch von Menschen gelesen werden können, die lange, komplizierte Texte nicht lesen oder verstehen könnten.“ Anja Lehmann hat schon einige Titel in Brailleschrift Korrektur gelesen. Dabei muss sie besonders auf Worterklärungen achten. Schwierige Wörter sind im Original markiert und werden am Ende des Buches definiert. Auch in der Braille-Ausgabe müssen diese Wörter korrekt hervorgehoben sein und die Verweise sollten stimmen. Die Übertragung in Brailleschrift und Großdruck erfolgt zu großen Teilen nach der Vorlage im Schwarzdruck. So werden Absätze durch Leerzeilen gekennzeichnet, nach jedem Satzende erfolgt ein Zeilenumbruch und zusammengesetzte Wörter werden durch einen Bindestrich getrennt. Doch es gibt auch einige Regeln innerhalb des Hauses, da der Schwarzdruck nicht immer einheitlich ist.
Kleine Kunstwerke zum Hören
Einfache Sprache hat keine strengen Kriterien. Wer sich an eine Art Richtlinie hält, sorgt dafür, dass mehr Menschen den Text besser verstehen. Kurze Sätze mit einfachen Worten und aktiven Verben beinhalten nur einen Gedanken. Sprachliche Hürden können auch abgebaut werden, wenn Fremdwörter, Synonyme, Metaphern, Abkürzungen und Negationen vermieden werden.
Als kleines Kunstwerk bezeichnet Aufnahmeleiter Wolfgang Raetsch „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens in einfacher Sprache. Er hat dieses Buch als Hörbuch produziert. „Es ist spannend, wie hier unter Vermeidung von Fremdwörtern und komplizierten Satzkonstruktionen nicht nur der Inhalt, sondern auch der Zauber der ursprünglichen Erzählung weitgehend erhalten bleibt“, sagt er. Neben Klassikern in einfacher Sprache, können auch Unterhaltungsromane und aktuelle Bestseller als Hörbücher ausgeliehen werden. Zurzeit gibt es 43 Titel in einfacher Sprache in der Hörbuch-Ausleihe. Florian Eib, Sprecher im dzb lesen, hat unter anderem „Vollidiot“ von Tommy Jaud, „Moby Dick“ von Herman Melville und „Die Welle“ von Morton Rhue aufgelesen. Sein Favorit ist die spannende Abenteuergeschichte „Moby Dick“, in der es um einen Super-Wal und einige Walfänger geht, die ihn zu jagen versuchen. Die Ich-Erzählperspektive des Matrosen Ismael lädt die Zuhörenden ein, unmittelbarer Teil der Schiffscrew zu sein. „Die Handlung in einfacher Sprache ist sehr übersichtlich gestaltet und aus meiner Sicht sehr gelungen übertragen. Das Original liest sich wesentlich schwieriger“, meint der Sprecher. „Es treten viele Fachbegriffe rund um die Seefahrt auf, die gut erklärt werden. So finden auch alle, die sich nicht mit der Seefahrt auskennen, Zugang und auch ich selbst habe vieles dazugelernt.“ Bei den Lesungen von Büchern in einfacher Sprache achtet er auf ein nicht zu hohes Sprechtempo, bewusst gesetzte Pausen nach kleineren Sinnabschnitten und einen Sprechduktus, der weder monoton noch aufgesetzt wirkt.
Jugendbücher mit altersgerechten Themen
„Die Welle“ ein Jugendbuch von Morton Rhue oder auch „Tschick“ von Wolfgang Herrendorf zählen zu einer Reihe von Büchern in einfacher Sprache, die Jugendliche in Vollschrift und Großdruck lesen oder hören können. Wer von ihnen Leseanfänger oder eine Lese- und Rechtschreibschwäche hat, findet in diesen Büchern seiner Lebenswelt entsprechende Themen und einfache Texte, aber keine simple Erzählweise, die platt wirkt!
Bücher in einfacher Sprache erleichtern das Lesen. Bisher hielt sich die Nachfrage nach dieser Literatur im dzb lesen in Grenzen. Doch wer vom Angebot des dzb lesen erfährt, sollte es nutzen. So wie Monika Hohmann, die sich freut, wieder selbst ein Buch bis zur letzten Seite lesen zu können.