Zum 129. Geburtstag des dzb lesen
Auch wenn in diesem Jahr noch kein runder Geburtstag für unsere Spezialbibliothek ansteht, ist es sicher interessant, einige wissenswerte, zum Teil auch kuriose Fakten aus der Geschichte des dzb lesen zu erfahren, das am 12. November 2023 seinen 129. Geburtstag feiert. Los geht’s!
Brailleschrift-Übertragung
- Bis 1910 schrieb man die Bücher in Brailleschrift noch Punkt für Punkt spiegelverkehrt mit Griffel und Tafel.
- 1970 übertrugen 12 Frauen, meist in Heimarbeit, die Bücher handschriftlich mit der Punktschriftbogenmaschine. Diese wurden dann als Unikate in die Bibliothek eingestellt.
- Später bis Anfang der 1990er Jahre setzte man mechanische Punziermaschinen ein. Das war eine sehr laute und körperlich schwere Angelegenheit für die Übertragerinnen und Übertrager. Das Punzieren (das Prägen der Punkte in eine Zinkblechplatte) ermöglicht die Herstellung von Brailleschrift auf Papier mit mehreren Abzügen.
- 1988 kamen erstmals PC und elektronische Drucker in der Abteilung Blindenschrift zum Einsatz. Mit Hilfe von Devisen konnte moderne Punziertechnik im Gesamtwert von ca. 350.000 DM in der BRD eingekauft werden. Dazu gehörten zwei Punziermaschinen, Computer, Brailletastaturen, Laserdrucker und eine Blindenschrift-Schnelldruckanlage.
- Anfang der 1990er Jahre war die letzte Handpunziermaschine in Betrieb. In dieser Zeit übersetzte man neben belletristischen Werken auch den ersten gesamtdeutschen Duden, begann mit der Übertragung eines Fremdwörterbuches und stellte u. a. auch ein „Medizinisches Taschenwörterbuch“ fertig.
Hörbuch-Produktion
- Als am 14. März 1956 die Hörbücherei eingeweiht wurde, startete die Ausleihe mit ca. 3000 Tonbändern, die vor allem aus Beständen des staatlichen Rundfunks der DDR kamen.
- Dazu zählte auch der Roman „Tinko“ von Erwin Strittmatter, der zur Einweihungsfeier als erstes Hörbuch vorgestellt wurde.
- Das erste Hörbuch, das die DZB in ihrem Studio selbst produzierte, war „Der Lotterieschwede“ von Martin Andersen Nexö. Zufall oder nicht? Auch das neu eingerichtete Studio wurde damals mithilfe von Lottomitteln finanziert.
- Anfangs saßen die Cutterin noch mit Schere, Kleber und vielen Metern Tonspule im Studio und beseitigten so die Versprecher mit der Hand. Die unhandlichen Spulentonbänder von bis zu tausend Meter Bandlänge verursachten nicht selten ein heftigen Bandsalat.
- Die Einführung der Kassette ab 1971 veränderte das Kopierverfahren in der Produktion.
- In den achtziger Jahren waren die Kopiermaschinen soweit verschlissen, dass die Hörbuchproduktion vor dem Aus stand. Erst die Wiedervereinigung ermöglichte die Anschaffung von neuen Kopieranlagen. Das nachträgliche Abhören sowie das Cuttern entfiel.
- Als die Compact Disc (CD) in den 1980er Jahren den Markt eroberte, wurde weltweit von den Blindenbibliotheken eine neue digitale Hörbuchgeneration – die DAISY-CD - geschaffen. 2010 führte die damalige DZB dieses Format ein.
Reliefherstellung
- 1966 war der Weltatlas für Blinde das bis dahin größte Kartenwerk der Deutschen Zentralbücherei für Binde (DZB) und ein Bestseller unter den Verkaufsprodukten. Er erschien bis 1983 in 3000 Exemplaren.
- Anfang der 1980er Jahre wurde in der DZB eine eigene Abteilung Reliefherstellung aufgebaut. In kurzer Zeit konstruierten die Techniker der DZB ein entsprechendes Vakuum-Tiefziehgerät, das Vakutherm.
- Einige Jahre danach erwarb die DZB aus dem westlichen Ausland ein modernes Tiefziehgerät. Es kam als „Schrottschenkung“ des VzfB Hannover nach Leipzig. Die Maschine war so in seine Teile zerlegt, dass diese schnell wieder zusammengeschweißt werden konnten. So wurde der Zoll an der deutsch-deutschen Grenze überlistet und die Reliefherstellung in der DZB technisch abgesichert.
- 1985 fertigten die Relieftechniker den ersten mehrfarbigen Reliefkalender mit Blumenmotiven in eigener Produktion an.
Notenübertragung
- Die damalige Direktorin und Tochter eines Moskauer Konzertmeisters Marie Lomnitz-Klamroth hat Anfang des 20. Jahrhunderts in Leipzig ein Musikalienzentrum aufgebaut, das durch eine „großzügige Stiftung für den Ankauf der gesamten Notenschriftliteratur“ von Prinzessin zu Waldenburg-Schönburg gefördert wurde.
- Sogar Besuch aus Übersee empfängt die Direktorin. Musikdirektor Kroh aus Valparaiso in Chile, der an seinem Konservatorium blinde Studenten unterrichtet, scheut die lange Reise nicht, um mehr über die Notenschrift in der DZB zu erfahren.
- Am 11. November 1948 treffen sich 28 blinde Berufsmusiker zu einer Arbeitsberatung im Bach-Saal der Zoo-Gaststätten in Leipzig. Eingeladen hat die Notenabteilung der DZB. Sie übernahm im Juli 1946 die Musikalien der Notenbeschaffungszentrale des ehemaligen Reichsdeutschen Blindenverbandes (NBZ) aus Wernigerode und baute eine eigene Notenherstellung auf.
- In den 1970er und 80er Jahren erscheinen monatlich die Musikzeitschriften „Lyra“, „Noten und Notizen“ und das „Schlagerheft“, in dem es die Noten der neuesten Hits zum Nachspielen gibt.
- 1987 wird die Notenproduktion in der DZB eingestellt. 2001 beschließt das Haus jedoch die langjährigen Notentradition fortzusetzen und die Braillenotenproduktion mithilfe neuer IT-Verfahren wiederaufzubauen. 2003 startet das Projekt „DaCapo“.
Eine Antwort auf „Wie war das eigentlich damals?“