Künstlerisches Gestalten war schon immer ihre Leidenschaft

Cover "Tierisch verflixte Zungenbrecher" (Illustration: eine Robbe am Strand und eine Robbenkopf im Meer)

Im November 2025 erscheint Verena Zimmermanns zweites taktile Bilderbuch „Tierisch verflixte Zungenbrecher“ im dzb lesen. Mehr über die Künstlerin und ihr neues Buch erfahren Sie in diesem Beitrag von Gabi Schulze.

Sie mag die Kinderbücher von Astrid Lindgren und ist mit ihnen groß geworden. „Ronja Räubertochter“ war ihr liebstes Kinderbuch. Die Geschichten um Pippi Langstrumpf findet sie immer wieder inspirierend. Am lebendigsten fühlt sich Verena Zimmermann, wenn sie Neues ausprobieren kann und ausreichend Raum zum Gestalten und Experimentieren hat. Diese Freiheit fördert ihre Kreativität und erweitert ihren Blick auf viele Aspekte des Lebens, die sie künstlerisch aus verschiedenen Perspektiven interpretieren möchte.

Kunst- und Design-Studium: von Bremen nach Halle

Verena Zimmermann wuchs in Kirchen im Westerwald auf. Als Kind wollte sie Synchronsprecherin oder Schauspielerin werden. „Ich mag es, mit der Stimme zu spielen, Stimmen zu imitieren und den Personen einen Charakter zu verleihen“, erzählt die Künstlerin. Später änderte sich zwar ihr Berufswunsch, den sie dann eher im Bereich der kulturellen Bildung sah, aber dem Spiel mit der Sprache und der Liebe zu Büchern ist sie treu geblieben. 2011 zog sie nach Bremen, um dort Kunst-Medien-Ästhetische Bildung und Biologie auf Lehramt zu studieren. Dieses Studium schloss sie 2015 ab. Mit 25 Jahren begann sie dann, an der Hochschule für Künste in Bremen Integriertes Design zu studieren. „Mein Vater war gerade gestorben und ich habe gemerkt: das Leben kann sich so schnell verändern. Ich wollte immer auf eine Kunsthochschule gehen und dachte: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann mache ich das nie“, erzählt Verena Zimmermann. Schließlich folgte an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle bis 2022 das Masterstudium Spiel und Lerndesign. „Es war eine gute Entscheidung. Dieser Studiengang konnte meine Expertisen, das Pädagogische und das kreativ Gestalterische sehr gut miteinander verbinden“, stellt sie heute fest.

Buchseite mit taktiler Illustration einer Schildkröte
Die tastbare Illustration einer Schildkröte aus unterschiedlichen Materialien

Motivation: einen Mehrwert schaffen für alle Menschen

Auf die Frage, wie sie dazu gekommen ist, taktile Kinderbücher zu gestalten, antwortet die lebensfrohe junge Frau: „Für mich war es immer ein großer Anreiz, Dinge zu gestalten, die Menschen nicht ausschließen bzw. die einen Mehrwert für einen Großteil der Menschen schaffen. Einen Stuhl oder eine Lampe zu gestalten, das können gern andere übernehmen. Ich wollte Menschen mit meiner Kunst zusammenbringen. Ich bin der Meinung, mit dem, was man gestaltet, hat man eine große Verantwortung.“
Im Rahmen ihres Studiums entstand 2020 der Prototyp von „Zwei Ameisen auf Reisen“ – ein taktiles Bilderbuch mit Tiergedichten, für blinde und sehende Menschen gleichermaßen konzipiert. Mit diesem Buch hat die Künstlerin gleich drei Preise gewonnen (Kunststiftung Sachsen-Anhalt, Stadtmuseum Halle, Grassi Nachwuchspreis). Das dzb lesen übernahm die Produktion des Buches und überarbeitete die grafischen sowie taktilen Elemente in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin. „Ich glaube, dass in der Gesellschaft, in der wir gerade leben, das Taktile immer weiter durch Displays und glatte Oberflächen zurückgeht. Dabei ist der Tastsinn ein so lebensnotwendiger Sinn und Dinge zu berühren, ist für alle Menschen eine grundlegende, wunderbare Erfahrung“, meint Verena Zimmermann.

Ein aufgeschlagenes Ringbuch: die linke Seite mit Braille- und Großschrift, rechte Seite mit tastbarer Illustration (Fisch).
Bunte Sammlung witziger Zungenbrecher, in denen Tiere die Hauptrolle spielen

Vom Studium in die Selbstständigkeit

Nach dem Masterstudium wagt die Künstlerin den Schritt in die Selbstständigkeit. Diese Entscheidung ermöglicht es ihr, Projekte und künstlerische Ideen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Sie stellt sich mit ihren Projekten breit auf, gestaltet grafische Sachen, übernimmt aber auch Konzeptentwicklung und Planung von Objekten für den Bildungsbereich. Doch die Gestaltung von Büchern macht ihr am meisten Freude. „Ich mochte schon immer Bücher, die weder Klischees bedienen noch in der Gestaltung kitschig sind“, erzählt Verena Zimmermann. „Da hat mich meine Mutter sehr beeinflusst. Sie hat mir qualitativ hochwertige und gut gestaltete Bücher gekauft, in denen es nicht um Prinzessinnen und Prinzen ging, sondern um kleine Abenteuer, in die man eintauchen konnte. Das finde ich toll.“

Tastbare Geschichten voller Zungenbrecher

Im Jahr 2023 startet sie mit einem Stipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt ein neues Buchprojekt. Mit dem Prototyp von „Tierisch verflixte Zungenbrecher“ präsentiert die Künstlerin ihre neuen Ideen beim Verlag des dzb lesen. Sie mag das Spiel mit der Sprache: Gedichte mit Reimen, Zungenbrecher, die Minigeschichten erzählen und durch ihre schwierige Aussprache zum Schmunzeln anregen. In ihrem taktilen Kinderbuch hat sie sieben Zungenbrecher mit Tieren ausgewählt, die noch wenig bekannt und nicht zu lang sind. Einen Zungenbrecher schrieb sie sogar selbst, den mit dem Schwein, verrät sie und lacht. Verena Zimmermann blättert im Buch und schaut sich die tastbaren Tiere an: Robben, Klapperschlangen, Schwein, Huhn, Fisch, Schildkröte und Murmeltier. „In meinem Prototyp gab es noch die Elefantentanten und zehn zahmen Ziegen, die dann aber nicht in die nähere Auswahl kamen.“ Die farbigen Punkte der Brailleschrift sind ein Blickfang im Buch und stehen gleichwertig neben der Schwarzschrift. Ergänzt werden der Text und die tastbaren Elemente durch einfache Illustrationen, die die Künstlerin selbst entworfen hat. So können sowohl sehende als auch blinde Menschen das Buch gemeinsam entdecken.

Ein aufgeschlagenes Ringbuch mit Text in Braille- und Großschrift auf der Seite.
Alle Zungenbrecher in Brailleschrift und Großdruck

Kunstleder für die Schlangen

Die Auswahl des Materials für die taktilen Elemente war nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch ein kreativer Prozess. Gemeinsam mit Antje Mönnig, Kommunikationsdesignerin im dzb lesen und Autorin mehrerer taktiler Kinderbücher, suchte sie nach geeigneten Textil- und Papiermaterialien, die sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend waren. „Wir mussten ständig abwägen, welches Material die besten taktilen Eigenschaften hat und gleichzeitig die Illustrationen unterstützt“, erklärt Zimmermann und zeigt auf das Truthuhn im Buch. „Das war gar nicht so leicht. Den Stoff dafür habe ich aus einem Stoffladen aus Berlin. Die Schlangen waren zuerst aus einem Kunstleder, das sich nicht so gut für das Lasern eignete. Dann haben wir ein anderes Kunstleder gefunden.“
In der Endphase kontrollierten beide Künstlerinnen die farblichen Kontraste der Bilder, reduzierten einige Illustrationen, damit sie klarer und weniger überladen wirken. „Die Zusammenarbeit mit Antje war super. Sie hat eine unglaubliche Expertise und ein großes Wissen“, lobt die Künstlerin ihre Kollegin.

Verena Zimmermann freut sich schon jetzt darauf, wenn sie im November ihr taktiles Kinderbuch „Tierisch verflixte Zungenbrecher“ in den Händen halten kann. „Dann denke ich: ‚Wow!‘ Das alles war total aufregend. Jetzt ist es fertig, sieht so perfekt aus und geht in die Welt hinaus.“ Neugierig auf die Menschen, die es kaufen, ist die Künstlerin allemal. Auch möchte sie gern wissen, wie es den Kindern und Erwachsenen gefällt.
Und wer weiß, vielleicht gestaltet sie bald ein taktiles Bilderbuch mit Pippi Langstrumpf oder schreibt eine eigene Geschichte und illustriert sie tastbar. Alles ist möglich!

Übrigens: Unser Förderverein "Freunde des barrierefreien Lesens e.V." unterstützt die Herstellung des Buches mit einer Spendenkampagne! Damit sich möglichst viele Eltern das aufwendig gestaltete Kinderbuch leisten können, sammelt unser Förderverein insgesamt 5000 Euro. So kann der Verkaufspreis pro Buch um 20 Euro reduziert werden.
Im Laufe des Jahres konnten bereits einige Buchpaten und Buchpatinnen gefunden werden. Das Unternehmen Syncwork-AG hat z. B. in einer tollen Weihnachtsaktion die Kampagne unterstützt!
Auch ihr möchtet euch beteiligen? Übernehmt eine Buchpatenschaft unter https://buch-patenschaft.de/zungenbrecher

Bücher von und über Frauen

Buchempfehlungen zum Internationalen Frauentag

Sie haben schon Großes geleistet – die Frauen in den vergangenen Jahrhunderten. Mit ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit und Tatkraft stärkten sie nicht nur die Frauenbewegung, sondern veränderten auch den Lauf der Geschichte. Trotz aller Widerstände kämpften sie auf unterschiedliche Art für ihre (Frauen-) Rechte und mehr Emanzipation und Gleichheit in der Gesellschaft. Die Früchte ihres steten Kampfes erleben wir Frauen heute als Selbstverständlichkeit. Dabei existiert auch heute noch keine Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Im Gegenteil: Weltweit sind massive Rückschritte bei den Rechten von Frauen und Mädchen zu beobachten. Weiterlesen …

Buchtipp: „Technophoria“ von Niklas Maak

Der Autor entführt uns in diesem Roman in eine nahe Zukunft mit selbstfahrenden Autos, intelligenten Kühlschränken und Robotern, in eine Zeit, in der wir fast schon leben. In dieser nahen Zukunft sollen überall auf der Welt Smart Cities entstehen. Deren Häuser bieten mithilfe künstlicher Intelligenz besten Komfort und Bequemlichkeit für die, die darin wohnen. Zugleich wird das traute Heim aber zu einer Datensammelmaschine, die den Menschen zu einer gläsernen Person werden lässt. Niklas Maak erzählt von Turek, der als Ingenieur am Umbau der Städte mitwirkt und der die zunehmende Digitalisierung, den damit einhergehenden menschlichen Kontrollverlust und die staatliche Überwachung erlebt. Sein Chef greift einen schon in den 70er Jahren entworfenen Plan auf. Er möchte die ägyptische Qattara-Senke mit dem Wasser des Mittelmeeres fluten und Smart Cities an der Küste bauen. Turek zunächst euphorisch an der Umsetzung beteiligt, erkennt durch Schlüsselerlebnisse immer mehr die Kehrseiten einer digitalisierten Welt. Weiterlesen …

Buchtipp: „Tasso im Irrenhaus“ von Ingo Schulze

Kennen Sie das Gemälde „Tasso im Irrenhaus“ von Eugène Delacroix? Um dieses Kunstwerk geht es in einem der drei Texte im gleichnamigen Erzählband von Ingo Schulze. Der Ich-Erzähler hat vor diesem Gemälde ein aufdringliches Gespräch mit einem Schweizer Verleger, der allwissend über die Kunst des Malers referiert. In der Erzählung „Das Deutschlandgerät“ schreibt der Erzähler statt eines Katalogtextes über den Konzeptkünstler Reinhard Mucha einen Brief an eine Museumsdirektorin. Dieser handelt von einem Schriftsteller-Dissidenten, der dem Erzähler die Installation Reinhard Muchas erläutert hat. In „Die Vorlesung“ möchte der Erzähler den sterbenskranken Maler Johannes Grützke interviewen. Doch dazu kommt es nicht, weil auch Freunde im Hospiz anwesend sind. Diese führen eine Diskussion, was Kunst alles kann, was Wahrheit in der Kunst ist und welches Verhältnis es zwischen Kunst, Literatur und Leben gibt. Weiterlesen …

Buchtipp: „Permanent record“ von Edward Snowden

Haben Sie manchmal, wenn Sie Ihr Handy benutzen, das Gefühl, es hört jemand permanent mit? Spätestens seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden wissen wir von der weltweiten Überwachungstätigkeit der amerikanischen Geheimdienste. Aber was ist Edward Snowden für ein Mensch, der den Mut hatte, diesen unfassbaren Skandal aufzudecken? In seiner Autobiografie erzählt der Whistleblower von seiner Kindheit und seinen frühen Computer-Kenntnissen, dass er ursprünglich seinem Land dienen wollte, und wie er vom Geheimagenten der CIA und NSA zum Bekämpfer der Geheimdienste und seiner Überwachungspraktiken wurde. Er beschreibt, wie er zu dem Entschluss kam, riesige Datenmengen der US- Geheimdienste außer Landes zu schmuggeln. Man erfährt von seiner Flucht nach Hongkong und wie er sein Material Journalisten zur Verfügung stellte. Weiterlesen …

Buchtipp: „München“ von Robert Harris

Es sind genau vier Tage im September 1938, die Robert Harris in seinem Roman „München“ beschreibt. Vier Tage, in denen der Weltfrieden am seidenen Faden hängt. Hugh Legat, der Privatsekretär Chamberlains, begleitet den britischen Premierminister nach München, der sich mit Hitler, Mussolini und Daladier zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz trifft. Chamberlain will unter allen Umständen einen Krieg in Europa verhindern. In München begegnet Legat seinem ehemaligen Studienfreund Paul von Hartmann, der Diplomat im deutschen Außenministerium ist und bei der Konferenz als Dolmetscher fungiert. Insgeheim arbeitet er im Widerstand gegen Hitler. Hartmann weiß, dass Hitler den Krieg will, und versucht, den Briten Beweise dafür zu liefern. Weiterlesen …